Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
die St. aus ihrer ökolog. Nische fast völlig verdrängt. Vermutl. hemmt das im Abgas enthaltene Stickstoffmonoxid das sexuelle Appetenzverhalten der St., saurer Regen schädigt ihre sensiblen Fresswerkzeuge. Zur Erforschung des komplizierten Fortpflanzungszyklus seltener Steinlausarten wird experimentell versucht, diese durch Klonierung zu vermehren sowie deren Genom in einer Genbibliothek der Nachwelt zu hinterlassen (2002).
In den neunziger Jahren entschied der Verlag, den Eintrag aus seinem Lexikon wieder zu tilgen, was derart heftige Proteste hervorrief, dass man 1997 den »possierlichen kleinen Kerl« wieder in den Pschyrembel aufnahm. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Steinlaus setzte sich seitdem, wie man sieht, fort.
Am Ende der zweiten Sendung stand dann wieder ein Sketch, der zum Klassiker wurde: »Schmeckt’s?« Das Restaurant war im Studio aufgebaut, der Sketch um den armen Gast, der vor lauter Fragen, ob ihm seine »Kalbshaxe Florida« auch schmecke, nicht zum Essen kommt, war wegen seiner vielen Komparsen und der komplizierten Choreographie des Oberkellners nicht ganz leicht zu drehen, obwohl Loriot schon in seiner detailreichen Grundrisszeichnung für die Dekoration darauf hingewiesen hatte, dass zur Küche eine Klapptür eingebaut werden sollte, die sich mit einem Fußtritt des Obers leicht öffnen ließ.
Den Ober gab wieder einmal Heinz Meier, der damit zu kämpfen hatte, seinem Gast als Alternative zu seinen Kartoffeln Reis oder Krausbandnudeln anzubieten. Es wurden immer wieder »Kreisbandnudeln« daraus – leider haben wir keine Outtakes gesammelt. Auch in dieser Sendung hatte Herr Pannek das letzte Wort: »Was ist denn hier los?« – »Der Herr isst eine Kalbshaxe« – »Ach …«
Da aus alten »Cartoon«-Zeiten noch ein eingekaufter Zeichentrickfilm vorhanden war, ein sogenannter »Fremdfilm«, den man in den letzten Stuttgarter Folgen nicht hatte unterbringen können, bat der Sender darum, die gezeichnete Frankenstein-Parodie »The Mad Baker« von Ted Patok in »Loriots Teleskizzen« aufzunehmen. Der Film war auf Englisch, also mussten wir ihn komplett synchronisieren. Nun hatte der amerikanische Regisseur die Schluss-Sequenz, in der das Monster von der Sonne zu Tode geschmolzen wird, mit Teilen aus Wagners »Tristan und Isolde« musikalisch untermalt. Loriotgeriet in einen Gewissenskonflikt – konnten wir das wirklich machen? »Tristan« als Musik für einen albernen Zeichentrickfilm? Das ging selbst ihm zu weit. Andererseits war die künstlerische Entscheidung des Regisseurs, der 1971 immerhin einen Oscar gewonnen hatte, zu respektieren. Wir entschieden uns für den Regisseur, der »Tristan« erklang. Vielleicht war es die Rache Richard Wagners, dass uns beim Überspielen der 35mm-Kinokopie der Film riss. Durch meine Ausbildung an der dffb war ich in der Lage, das einzige Original, das wir hatten, ganz altmodisch mit Filmhobel und Nassklebepresse zu reparieren. Die Kollegen vom Sender waren beeindruckt.
Bei späteren Wiederholungen und Editionen auf VHS-Kassetten und DVDs wurde der Film leider herausgenommen, weil er nicht von Loriot gezeichnet war. Von ihm stammte nur die Synchronisation, die wir gemeinsam erstellten und die mich viele Jahre später, anlässlich der großen Berliner Ausstellung zum 85. Geburtstag des Meisters, dazu animierte, in deren Katalog über Loriot als Sprachkünstler nachzudenken.
Exkurs – Die Stimme des Zeichners
Eine Erinnerung: Im Sommer des Jahres 1976 musste für die Sendung »Loriot 2 – Teleskizzen« ein englischsprachiger Zeichentrickfilm synchronisiert werden. Bei dem Film »The Mad Baker« handelte sich um eine Parodie auf »Frankenstein«, in der das Monster ein gigantischer Schokoladenkuchen ist. Loriot sprach den Frankenstein-Kuchen und alle anderen Rollen des Films. Ich gab ein kleines Mädchen, das vom Kuchen verspeist wird. Die Hingabe, mit der Loriot dem Kuchen seine Stimme lieh, bleibt mir unvergesslich.
Die ersten Zeichnungen des Cartoonisten Loriot kamen noch ohne Worte aus. Aus seinem späteren zeichnerisch-humoristischen Hauptwerk ist der ironische Kommentar, die kultiviert komische Bildunterschrift, nicht wegzudenken, sie ist, neben der an sich schon komischen Zeichnung, die Brücke vom Irrsinn des Gezeichneten in die bürgerliche Welt der noch jungen Bundesrepublik.
Als das Fernsehen Vicco von Bülow holte, bekamen Loriots Texte eine Stimme – seine Stimme. Und auch hier ist es die höchst kultivierte
Weitere Kostenlose Bücher