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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Sprechhaltung, die dem absurdesten Unsinn zu zivilisatorischen Weihen verhilft. Wenn Loriot spricht, wird es nie gewöhnlich.
    Zunächst kennt man den Loriot, der auf dem Sofa sitzt und – ganz in der Tradition seiner ironisch-distinguierten Bildunterschriften – durch eine kurze Moderation dem nachfolgenden Sketch von vornherein eine groteske Schräglage verpasst,so dass man nichts von dem, was folgt, mehr ernst nehmen kann. Dieser Herr auf dem Sofa gibt sich zwar den Anschein, der Privatmann Vicco von Bülow zu sein, in Wahrheit begegnen wir hier aber der höchst raffinierten Kunstfigur Loriot, die uns durch Sprache und Gestus lehrt, wie man den größten Quatsch auf die wohlerzogenste Art formuliert. Es ist wohl nicht übertrieben, zu sagen, dass die Stimme des Mannes auf dem Sofa den Deutschen eine Sprache zurückgegeben hat, die durch die Emigration großer Literaten wie Thomas Mann auf ewig verloren gegangen zu sein schien.
    Einen anderen Loriot hören wir, wenn er als Schauspieler in seinen eigenen Sketchen auftritt. Loriots Menschenparodien sind immer Erscheinungsbild und Stimme. Dabei übertreibt er nie, sondern findet stets eine Stimmhaltung, die der inneren Befindlichkeit der Figur entspringt. Es klingt nie aufgesetzt, sondern bei aller Komik, die den Sketchen innewohnt, bei aller Distanz immer tief empfunden und vor allem – authentisch. Wir hören die Stimme eines außerordentlichen Menschenkenners, der die dargestellte Person in einer bemerkenswerten Gratwanderung zwar karikiert, aber nie der Lächerlichkeit preisgibt oder gar denunziert.
    Unter seinen real gespielten Charakteren fällt eine Kategorie auf: die alten Männer, allen voran Opa Hoppenstedt. Loriot erzählte oft, dass sein Vater gern und sehr gut alte Männer parodierte. Dieses Talent schien der Sohn geerbt zu haben. Erstaunlich dabei war, dass der selbst im hohen Alter angelangte Loriot mit knapp fünfundachtzig Jahren noch lange nicht so alt klang, wie der (wohl deutlich jüngere) Opa Hoppenstedt.
    Noch eine andere Stimme wird hörbar – wir bewegen uns noch im Bereich des realen Films –, wenn Loriot als Parodist von politischen oder festlichen Reden auftritt. Hier gelingt es ihm, die Formelhaftigkeit und die klassischen Fehlbetonungen von Politikern ins vollkommen Absurde zu steigern, indemer in der Form streng dem Duktus eines bürgerlichen Festredners folgt, um im Text die abstrusesten Gedankenspiele zu Gehör zu bringen (z. B. anlässlich der 100-Jahr-Feier der Berliner Philharmoniker: »Schließlich sei bedauert, dass sich nicht ein Orchestermitglied des Gründungsjahrgangs 1882 heute Abend unter den Mitwirkenden befindet.«).
    Und schließlich ist da die Stimme, die Loriot seinen Zeichentrickfiguren leiht. Sperren wir also unsere Ohren weit auf und betreten wir den Kosmos der Stimmen des Zeichners Loriot.
    Der erste Zeichentrickfilm, dem Loriot nicht nur Gestalt, sondern auch stimmlichen Ausdruck gab, entstand im Jahr 1967 (für »Cartoon 1«). Schon hier erweist sich Loriot als Meister nicht nur der gekonnten animierten Zeichnung, sondern auch als Meister vokaler Parodie. Der Politiker, der sich in einer Parlamentsrede über die Krise des deutschen Humors äußert, spricht mit einer bürgerlichen Gesetztheit, die ganz den Geist ihrer Zeit atmet. Loriot schiebt seine Stimme leicht nach unten und verleiht ihr so parlamentarisches Volumen.
    Im nächsten Trickfilm aus der Reihe »Cartoon« gibt Loriot dem Farbberater des deutschen Fernsehens eine leicht homoerotische Färbung, die den Cartoon zu einem Meisterstück nicht diskriminierender Karikatur werden lässt. Was für eine Leistung zu einer Zeit, in der Homosexualität durchaus noch nicht gesellschaftsfähig war!
    Auf dem Höhepunkt seines Trickfilmschaffens, in den 1970er Jahren, schlüpft der Meister in drei unvergleichlichen Sketchen in die Rolle eines Ehepaares, wobei er sowohl den Mann, mit etwas tiefer, rauer Stimme, als auch die Frau, mit einer technisch leicht nach oben gepitchten Stimme, gibt. Der Mann, zugleich Opfer wie Täter der ehelichen Tragödie, haucht mit kraftlosem Bariton ins Nichts, während seine Gattin im ehelichen Duell mit ihren leicht hysterischen Flötentönen ebenso wenig gegen das Dilemma ihrer Zweisamkeit auszurichten vermag wie er. Die hier von Loriot gesprochenen Sätzesind längst in den ewigen Zitatenschatz des deutschen Humors eingegangen:
    Er: »Wie lange hat das Ei denn gekocht …«
    Sie: »Zu viel Eier sind gar nicht gesund …«
    Oder,

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