Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
ebenso unvergesslich: »Ich möchte einfach hier sitzen …«
Über die Loriot’schen Ehesketche sind inzwischen Doktorarbeiten verfasst worden, ihre Wirkung erzielen sie aber nicht nur durch die meisterhaften Zeichnungen und die – im Gegensatz zu allen anderen Trickfilmrichtungen – äußerst reduzierte Animation der Figuren, sondern im gleichen Maße durch die stimmliche Wandlungsfähigkeit ihres Schöpfers.
Das Geheimnis von Loriots Sprache und Stimmführung ist das Zusammenspiel aus Authentizität und perfektem Timing. Die Figuren sind aus ihrer Tiefe heraus begriffen (das Ehepaar leidet ja wirklich aneinander, es ist fast eine tragikomische Situation) und folgen einer bis in die kleinsten Pausen gehenden Perfektionierung des Rhythmus. Man achte nur einmal auf die feinen Varianten von »Ach was …« (ohne Pause, quasi in einem Wort) und »Ah – ja.« (mit kunstvoller Pause und deutlich gesprochenem Punkt).
Und eben weil diese Filme im Stimmlichen so authentisch sind, entfalten sie ihre Wirkung auch dann, wenn man sie nur hört. Wohl auch deshalb sind Loriots Sätze inzwischen in den Sprachgebrauch so vieler Familien übergegangen und werden dort von einer Generation an die nächste weitergegeben.
Ein Nachtrag, um einem oft geäußerten Missverständnis entgegenzutreten: In den Sprachparodien realer Politiker (Strauß, Wehner, Schmidt etc.) ist nicht Loriot zu hören, sondern der Sprachimitator Peter H. Schwerdt. Und den Satz »Wo laufen sie denn?« verdanken wir dem Komiker und Kabarettisten Wilhelm Bendow, dessen Stimme Loriot mit seinem Trickfilm »Auf der Rennbahn« wohl das schönste nur vorstellbare Denkmal gesetzt hat.
Und dann sind da noch die Tiere. Der rau singende Wum (der es als Hund auf diese Weise immerhin zur Goldenen Schallplatte gebracht hat) und sein Freund, der näselnde Elefant Wendelin, vor allem aber – am äußersten Rand des stimmlichen Kosmos – Bello, der »sprechende Hund«. Bellos »Stimme« ist selbstverständlich auch Loriot, und wir merken der liebevollen Gestaltung seines »Ooo-ooo-ooo« an, wie sehr sein Schöpfer Hunde liebt. Selbst ein Hund, der nicht wirklich sprechen kann, wird von ihm nicht verspottet, sondern mit Respekt behandelt. Und den Ton, den Bello am Ende mit herausgestreckter Zunge produziert, dürfen wir wohl mit Fug und Recht als das finale Abstraktum der stimmlichen Möglichkeiten des Zeichners Loriot ansehen.
Loriot und Berlin
Die »Teleskizzen« waren kaum fertiggestellt, da führten glückliche Umstände Loriot nach Berlin.
Es war der 21. Mai 1976. Ich war zu Vorbereitungen und zum Schneiden in Ammerland, als sich ein Herr aus Ost-Berlin ankündigte. Es war Karl Kultzscher, einer der Leiter des Eulenspiegel-Verlags. Der DDR-Satireverlag hatte eine Reihe von sogenannten »Dicken Büchern« verschiedener Karikaturisten und Cartoonisten herausgegeben, jetzt war Loriot dran. Die Vorgespräche zwischen Eulenspiegel und Diogenes in Zürich, wo Loriots Bücher erschienen, hatten bereits stattgefunden, nun sollten gestalterische Details des Buches besprochen werden.
Herr Kultzscher war ein »Reisekader« und durfte als solcher nach Ammerland, also ins »westliche Ausland« fahren. Er hatte Familie in Ost-Berlin, das garantierte auch bei einem Freigeist wie ihm, dass er in die DDR zurückkehrte. Seine Erscheinung war beeindruckend. Ein furchtbar netter massiger Mann mit der stärksten Minus-Brille, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Unter dem Arm trug er eine abgegriffene Aktentasche, die er liebevoll umklammerte und gar nicht loslassen wollte.
Romi hatte Tee und Kuchen bereitet, Loriot und ich beschlossen, diesen Nachmittag nicht in den Schneideraum zu gehen, sondern ihn ganz Herrn Kultzscher zu widmen. Nach dem üblichen Austausch von Höflichkeiten und Scherzenöffnete Herr Kultzscher seine Aktentasche und zog einen sehr dicken Packen Papier heraus, der an den vier Ecken von Gummibändern zusammengehalten wurde. »Das ist es!«, präsentierte er stolz das Konvolut. Loriot war leicht verwirrt, blieb aber, wie stets, taktvoll und verbindlich: »Das ist was, bitte?« – »Das Buch, ›Das dicke Loriot-Buch‹«, entgegnete Herr Kultzscher nicht ohne Stolz. »Ah ja … darf ich mal sehen?« Kultzscher zog die Gummibänder von dem Papierpacken ab und überreichte Loriot den Stapel: »Aber bitte vorsichtig, das sind unsere Originale.« Loriot glaubte nicht richtig gehört zu haben, aber Herr Kultzscher bestätigte ihm, dass es sich bei dem
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