Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
alle, die des Schwedischen nicht mächtig sind. Aber anders als Strindberg hält er die Lächerlichkeit menschlicher Zustände eben nicht für menschenunwürdig. Obwohl …«
»Liebe im Büro«, »Das Filmmonster« und »Die Nudel« braucht man bis heute nur zu erwähnen, und schon verbindet beinahe jeder von uns irgendwelche Erinnerungen damit. »Die Nudel« ist vielleicht der populärste aller Loriot-Sketche überhaupt.
Als wir im Sommer zuvor den »Sauberen Bildschirm« drehten, bekamen wir Besuch von Loriots Patentochter Stephanie aus Hamburg. Stephanie war eine sehr lebendige junge Frau, die immer viel Unsinn im Kopf hatte. Einer ihrer beliebtesten Scherze bestand darin, beim Essen, zum Beispiel mit einemjungen Mann, der sie eingeladen hatte, heimlich ein Reiskorn im Mund zu verstecken, um es dann mitten im Gespräch unbeobachtet in ihren Mundwinkel oder auf ihre Lippen zu schieben. Egal, ob ihr Gegenüber sie darauf aufmerksam machte, oder nicht, wenn er das nächste Mal zur Seite schaute, wechselte das Reiskorn blitzschnell seine Position und stiftete erneut Verwirrung. Die Virtuosität, die die junge Dame bei der Wanderung des Reiskorns erzielte, war beeindruckend.
Irgendwann kam Loriot beim Nachdenken über neue Sketche die Idee, aus dem kleinen Quatsch seiner Patentochter einen Sketch zu machen. Nun war das Reiskorn an sich schon lustig, richtig komisch aber wurde die Sache aber erst dadurch, dass der Mann mit der Nudel erstens ein Opfer des tückischen Lebensmittels wurde und zweitens ein von sich sehr überzeugter kleiner Angestellter war (»Warum übernehme ich denn in zwei Wochen die Einkaufsabteilung …«), der seiner Angebeteten einen Heiratsantrag machen wollte. Die Angebetete war Evelyn Hamann, die sich mit diesem Sketch tief in die Herzen der deutschen Fernsehzuschauer gespielt hat. Das heißt, eigentlich spielte sie gar nicht. Loriot wollte ausdrücklich, dass sie dem minimalistischen Unheil ihres Gegenübers so regungslos und ausdruckslos wie nur irgend möglich folgt. Evelyn machte dieses Nichts großartig.
Ihr Gegenüber hatte es da deutlich schwerer. Eine Nudel klebt ja leider nicht von selbst am Finger, an der Nase und an der Backe. Die Choreographie der Nudel hatten wir vorher exakt festgelegt. Loriot steckte rein schauspielerisch in einem engen Korsett, aber das mochte er ja. Damit die Nudel an der Haut haftete, wurde sie mit Mastix, einem Perückenkleber, an ihren jeweiligen Bestimmungsorten festgeklebt. Dafür hielt unsere Requisitenabteilung zig weichgekochte originale Nudelstücke von etwa drei Zentimetern Länge bereit. Nachdem eine Station der Nudel abgedreht war, wurde sie entfernt und entsorgt, die Stelle gereinigt, überschminkt und ein neues Corpus Delicti an die nächste Stelle geklebt, ein mühsamer Prozess, bei dem Loriot trotz der vielen Unterbrechungen die innere Spannung für seine Figur behalten musste. Im fertigen Sketch »wandert« die Nudel immer im Off, während der Gegenschüsse auf Evelyns Reaktionen.
Mit Evelyn, Loriot und den diversen Nudeln lief alles glatt. Ein kleines Problem hatten wir jedoch mit unserem Komparsen, dem italienischen Ober. Der junge Mann arbeitete in einem Restaurant, in das Loriot und ich nach dem Drehen gelegentlich essen gingen. Wir fanden, dass er für den Sketch optisch gut geeignet war, und fragten ihn, ob er nicht Lust hätte, bei uns mitzuspielen. Das tat er gern. Als wir bei der Stelle angelangt waren, wo der Ober versuchen sollte, den Gast diskret auf das Stück Teigware auf seiner Oberlippe hinzuweisen, wurde es schwierig. Loriot wollte, dass der Kellner seine Oberlippe leicht nach oben ziehen sollte, etwa so, wie man es tut, wenn man angewidert ist. Genau das aber konnte der arme Kerl nicht. Er verzog das Gesicht in alle Richtungen, schob die Unterlippe über die Oberlippe und verdrehte die Augen gen Himmel, der gewünschte Ausdruck wollte sich indes nicht einstellen. »Ich habe so was noch nie gemacht …«, versuchte er sich zu entschuldigen. Er litt Qualen und war unglücklich, der einfachen Regieanweisung nicht folgen zu können. Um ihn zu erlösen, bat Loriot ihn, den Gast stattdessen nur starr anzugucken. Das tat er, was für den Sketch letztlich sogar die bessere Lösung war.
Am Ende der kleinen Geschichte schwimmt die Nudel an der Oberfläche eines Espresso, was der Gast harsch kommentiert: »Das können Sie ihren Gästen in Neapel anbieten, hier kommen Sie damit nicht durch!« Weder Loriot noch ich waren begnadete
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