Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Mittwoch eine Menge Besucher an, unter die wir uns mischten, als das Wachbataillon der NVA zu klingendem Spiel im Stechschritt anmarschiert kam. Mir wurde fast übel, weil der Stechschritt für mich unauflöslich mit den Nazis verbunden war. Loriot hingegen blickte wie ein Kind mit feuchtenAugen auf das für mich höchst befremdliche Spektakel. Die beiden Wachsoldaten wurden von zwei Kameraden aus dem Bataillon abgelöst, dann sang man gemeinsam »Brüder, zur Sonne, zur Freiheit«, schließlich entfernte sich das Bataillon wieder im Stechschritt vom Ort des Geschehens. Als ich Loriot meine Empörung über das militaristische Gehabe mitteilte, wurde er ganz gerührt und nachdenklich: »Genau hier habe ich als kleiner Junge immer gestanden und zugeschaut. Ich hab’s geliebt …« – Es war einfach die Rührung eines Erwachsenen, der einem Bild seiner Kindheit wiederbegegnete. Dass die Soldaten in beiden Fällen Diktaturen repräsentierten, kümmerte ihn in diesem Moment wenig. Es war die pure Nostalgie. »Und«, fragte ich ihn, »war es anders?« – »Der Griff saß damals besser.« Er meinte das Anpacken und ruckhafte Schultern der Gewehre. Auch die Uniformen, die Helme und die Musik waren anders, sonst ähnelte es sich auf unheimliche Weise.
Am nächsten Tag flog Loriot zurück nach Bayern. Zum Abschied und als Dankeschön für das viele Herumfahren schenkte er mir Wagners »Ring des Nibelungen«, von Georg Solti dirigiert, eine bleischwere Box mit neunzehn Langspielplatten. Er ahnte wohl, dass er damit den Grundstein für eine nie endende Wagner-Besessenheit bei mir legte. Noch am selben Nachmittag hörte ich mir zuhause mit glühenden Wangen den ersten Akt des »Siegfried« an.
Loriot 3 – Evelyn & die Nudel
Evelyn Hamann hatte in den »Teleskizzen« nur zwei kurze Auftritte. Als Dienstmädchen in der feinen Villa der »Zimmerverwüstung« und als Gattin des zweiten Paares bei den »Herrenmoden«. Sie gefiel Loriot aber so gut, dass sie in »Loriot 3« zu seiner festen Partnerin wurde. Drei Sketche, die später zu Klassikern wurden, schrieb er mit ihr vor Augen: die »Nudel«, die »Liebe im Büro« und das »Filmmonster«. Schaut man sich die »Herrenmoden« aus der zweiten Sendung genau an, so sieht man schon hier kurz das ungläubige Gesicht von Evelyn, das später ihren Ruhm in der »Nudel« begründete.
Auch »Loriot 3« wurde zum Teil in Elmau ausgedacht und vorbereitet. Diesmal stieß Jürgen Breest zu uns. Zu dritt saßen wir lachend im Teesaal und legten Loriots Ideen auf die Goldwaage. Jetzt hatte er zwei Sparringspartner – und blieb doch immer der Stärkste im Ring. Unterbrochen wurde unser Brainstorming von nachmittäglichen Ausflügen auf die Elmauer Alm, abendlichen Konzerten, und einem der berühmt-berüchtigten Elmauer Tanzabende, bei dem die Herren in schwarzer Hose und weißem Hemd antraten, die Damen hingegen im schlichten, langen schwarzen Kleid. Man tanzte entweder barfuß, auf Socken oder mit »Elmauer Tanzschuhen«, einer Art Schläppchen. Auf der Bühne des großen Tanzsaales stand ein Konzertflügel, an dem der Hauspianist Otto Ludwig, genannt »Oette«, Chopin-Walzer, Beethoven-Ecossaisen und – eine Elmauer Spezialität – die Musik für die Quadrille spielte, einenhöchst komplizierten Gesellschaftstanz für jeweils vier Paare. Loriot hatte viel Spaß an diesen altmodischen Veranstaltungen, bei denen so vieles schiefgehen konnte. Den tiefen Ernst, mit dem die alten Elmauer ihre Tänze betrieben, teilte er allerdings nicht. Er belächelte ihn, respektierte ihn aber auch. Vermutlich ist das eines der großen Geheimnisse seiner Komik, dass er sich zwar über fast alles lustig machte, seinen Figuren aber nie die Würde nahm.
»Loriot 3«, wie die Sendung knapp hieß, wurde im Januar 1976 überwiegend im Studio produziert. Nach dem großen Erfolg der ersten beiden Sendungen fand man es angemessen, auf Zusätze wie »Sauberer Bildschirm« und »Teleskizzen« zu verzichten. Der Name Loriot war spätestens ab jetzt das Synonym für beste Fernsehunterhaltung. Und in »Loriot 3« gab es schon eine beinahe beängstigende Dichte von späteren Klassikern. Die drei Zeichentrickfilme mit Ehegesprächen – in Anlehnung an Ingmar Bergmans Film »Szenen einer Ehe« betitelt – dienten sogar als Gegenstand für Dissertationen in Psychologie und Kommunikationswissenschaften. Reinhard Baumgart schrieb darüber unter anderem: »Auf dem Felde des Geschlechterkampfes ist L. der Strindberg für
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