Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Trickfilmstudios von Manfred Schmidt und Loriot arbeitete.
An einem Wochenende plante ich einen Ausflug nach Schloss Neuschwanstein, das ich noch nicht kannte. Äußerte man solche Vorhaben in Loriots Gegenwart, so lief er zu ganz großer planerischer Form auf. Wenn man schon einmal in Neuschwanstein sei, müsse man unbedingt auch gegenüber das Schloss Hohenschwangau mit Wagners Flügel und Moritz von Schwindts Wandmalereien besichtigen. Und auf der Fahrt dorthin dürfe man keinesfalls den Umweg zum Kloster Steingaden und der Wies-Kirche mit ihren herrlichen Fresken scheuen. Claudia begleitete mich auf dem Ausflug. Wir waren bis 1985 ein Paar. In die Schnittzeit fiel auch eine Einladung des Goethe-Instituts Rom. Man zeigte dort meinen dffb-Abschlussfilm »Krawatten für Olympia«, ich wurde für vier Tage eingeflogen, hatte also genug Zeit, mich in der Stadt umzusehen.
Ausflug I – Rom
»Wie soll ich mir anmaßen, Rom zu kennen, ich lebe doch erst fünfzehn Jahre hier«, sagte Ferdinand Gregorovius, einer der intimsten Kenner der Stadt. Loriot liebte diesen Ausspruch, denn auch er liebte Rom wie keine andere Stadt. Das Zitat findet sich in Loriots Lieblingsreiseführer, den er mir für meinen Kurztrip in die Hand drückte. Das Buch beginnt mit einem Goethe-Zitat: »Wie man sagt, daß einer nicht wieder froh wird, der ein Gespenst gesehen hat, so möchte ich sagen, daß einer, der Italien, besonders Rom, recht gesehen hat, nie ganz in seinem Gemüte unglücklich werden kann.«
Damit ich Rom, das ich nur als Kind mit meiner Mutter besucht hatte und an das ich eher blasse Erinnerungen hatte, recht sehen konnte, gab mir Loriot eine detaillierte Liste mit Sehenswürdigkeiten mit, die ich keinesfalls unbeachtet lassen dürfte. Und er schenkte mir den kenntnisreichen und anekdotengesättigten Reiseführer von Hans von Hülsen und Josef Rast, der mir das Verständnis der Ewigen Stadt erleichtern sollte. Loriots Anmerkungen liegen bis heute in dem abgegriffenen Band. Ich bin inzwischen oft in Rom gewesen, habe das wunderbar geschriebene Buch immer dabei und werfe vor jeder Reise einen kurzen Blick auf Loriots handgeschriebene Liste. Inzwischen ist sie abgearbeitet.
Als »Muss« bezeichnete er das Pantheon, die Piazza Navona mit dem Vierströmebrunnen von Bernini, den Petersdom mit Michelangelos Pietà und Besichtigung des Daches, die Spanische Treppe, die Kirche Santa Maria Maggiore wegen ihrer goldenen Decke, die Piazza del Popolo mit der Kirche Santa Maria del Popolo und ihren beiden Caravaggio-Gemälden, die Fontana delle Tartarughe, die Sixtinische Kapelle, das Kapitol, dort vor allem den rechten Museumshof, San Pietro in Vincoli, Bramantes Tempietto bei San Pietro in Montorio, das Caffè Greco in der Via dei Condotti, die Engelsburg (von außen), natürlich das Forum Romanum, die Via Appia Antica mit den Katakomben, die Lateranbasilika, Ostia Antica, die Kirche Sant’ Andrea della Valle, den Pincio, Santa Maria in Cosmedin mit der Bocca della Verità, vor allem aber wegen ihres Kosmatenfußbodens, den Aventin, den Campo de’ Fiori, die Gärten des Quirinal, die winzige Kirche San Carlo alle Quattro Fontane, San Clemente, die Cestius-Pyramide, Sant’Ignazio, die Fontana di Trevi, den wegen seiner Hässlichkeit sehenswerten Mosesbrunnen an der Piazza San Bernardo, die Tiberinsel, die Krypta des Kapuzinerklosters mit ihren grotesken Ornamenten aus menschlichen Knochen und Trastevere. Ein »Kann« kam nicht vor.
Zum Essen schlug er unter anderem »Sabatini« und »Gino« in Trastevere vor, außerdem »Passetto« nahe der Piazza Navona, das zwar nicht reizvoll sei, aber gute Teigwaren serviere.
Da war sie wieder, die Verallgemeinerung. Bei »Passetto« aß man »Teigwaren«, eben keine Nudeln oder Pasta. Selbst in einen Zettel mit Reisetipps verirrte sich bei Loriot die Ironie.
Ich folgte den Empfehlungen, erfuhr aus dem Hülsen-Buch – das heute leider nur noch antiquarisch zu bekommen ist – die schönsten römischen Geschichten zu den Bauwerken und verliebte mich in die Stadt. Loriot war der Meinung, dass es, von den Vatikanischen Museen einmal abgesehen, keine bedeutenden Museen in Rom gebe. Dafür sei die Stadt selbst ein Museum. Auch wenn man hier anderer Meinung sein darf, das Wesen der Stadt hat er damit getroffen.
Wir waren später noch mehrfach gemeinsam in Rom. Unvergesslich, wie er mit glänzenden Kinderaugen durch die Straßen ging und sich an den Verspieltheiten und Konkurrenzkämpfen der
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