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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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sich nach unten zu bücken und seine linke Hand auf seine rechte Schulter zu legen. Er zögerte etwas, und ich wiederholte meine Bitte. Widerstrebend folgte er der Aufforderung, beugte sich vor und legte eine lederbezogene dunkelbraune Prothese auf seine rechte Schulter. Die Situation war für alle in hohem Maße peinlich. Man hatte den Komparsen nach Loriots Größe und Haarfarbe ausgesucht und war davon ausgegangen, dass nur sein Oberkörper von hinten zu sehen sein müsse. Dass der ältere Herr im Krieg seine linke Hand eingebüßt hatte, war niemandem aufgefallen.
    Es lag nun an mir, dem armen Mann klarzumachen, dass wir die Szene mit ihm nicht würden drehen können. Den Schuss auf Loriot von vorn konnten wir ohne Hand auf der Schulter nicht wiederholen, weil ihm seine künstliche Nase bereits abgenommen worden war. Wir zahlten den Komparsen aus und schickten ihn nach Hause. Weil es empfindlichkalt war, war er nicht unglücklich. Dann suchte ich ein Teammitglied aus, das etwa Loriots Größe hatte. Seine Haare wurden schnell grau angesprüht, Mantel und Hut aufgesetzt und die Szene mit dem inzwischen zum Restaurantgast umgezogenen Loriot gedreht. Die linke Hand des Ersatzdoubles war dann allerdings in der geschnittenen Fassung auch nicht im Bild zu sehen.
    Ein weiterer Außendreh war der Sketch »Parkgebühren«. Ursprünglich wollte Loriot selbst den Polizisten spielen, der zwei identische Autos an nebeneinanderstehenden Parkuhren verwechselt und dadurch ein unbeschreibliches Chaos anrichtet. Die Idee basierte auf einer Begebenheit, die tatsächlich passiert war und die uns Heiner Schmidt, neben Heinz Meier der zweite ständige männliche Loriot-Partner, erzählt hatte. Loriot hatte sich für den Polizisten, der während der Szene langsam wahnsinnig wird, einen bürokratisch-dadaistischen Unsinnstext allererster Güte ausgedacht.
    Nun bedeutet die Tatsache, dass man etwas geschrieben hat, noch lange nicht, dass man es auch auswendig kann. Am Abend vor dem Parkuhr-Dreh, es war nach dem Studiodreh im Flugzeug, saßen Loriot und ich im Hotel zusammen. Er bat mich, ihn abzuhören, und legte los: »Es war so: Ich habe eine Münze in den Münzeinwurf … nee, in den für den Münzeinwurf der Parkuhr …« Ich unterbrach ihn und korrigierte: »Falsch, es heißt: ›Es war so: Ich habe eine Münze in den für den Münzeinwurf bestimmten Münzeinwurf eingeworfen, in den er ordnungsgemäß keine Parkmünze eingeworfen hatte, da er in den für den Münzeinwurf bestimmten Münzeinwurf der anderen Parkuhr ordnungsgemäß eine Münze eingeworfen hatte.‹«
    Nach mehreren vergeblichen Versuchen, den komplizierten Text richtig zu lernen, lehnte Loriot sich verzweifelt zurück. Der Gedanke, dass ein komplettes Filmteam in einer Bremer Straße steht und er mit seinem Text kämpft, warihm ein Graus. Dabei hatten wir den Dialog aus Gründen des schauspielerischen Mitgefühls ohnehin schon kräftig eingestrichen.
    Was sollten wir machen? Umbesetzen? Die Schauspieler waren alle engagiert, über Nacht war es ausgeschlossen, einen Ersatz für Loriot zu finden. Und man konnte die schwierige Rolle ja nicht irgendwem anbieten. Es musste schon jemand sehr Gutes sein.
    Die rettende Idee kam uns, als wir überlegten, dass es sich ja ebenso gut um eine Politesse handeln könnte, wie sie seit einigen Jahren in Deutschland ihren Dienst taten. Ein Anruf bei Evelyn, ob sie morgen schon etwas vorhätte, erlöste uns. Wir schickten ihr die Drehbuchseiten per Taxi und beteten, dass es ihr gelingen würde, die komplizierten Wortkaskaden bis zum nächsten Morgen einzupauken. Dem Produktionsleiter des Senders verkauften wir die mit Kosten verbundene Umbesetzung als dramaturgisch-künstlerische Notwendigkeit – nur unser Redakteur war in die wahren Umstände eingeweiht.
    Gespannt kamen wir morgens ans Set. Für die meisten im Team war es eine Überraschung, dass Loriot als Regisseur in seinem üblichen Trenchcoat erschien. Alle hatten ihn in Polizei-Uniform erwartet. Stattdessen bog Evelyn im strengen Outfit der Politesse um die Ecke. Kostüm- und Maskenabteilung hatten in einer frühmorgendlichen Feuerwehraktion die passenden Teile für sie besorgt.
    Evelyn machte ihre Sache großartig. Wir waren überzeugt, dass sie die bessere Wahl gewesen war.
    Welch herausragende Position Evelyn inzwischen im Ensemble einnahm, beweist auch die Tatsache, dass sie und Vicco in »Loriot 5« teilweise zu zweit moderierten und Evelyn dafür den gleichen Tweedanzug

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