Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Bissen wurde abgeräumt für den nächsten Gang.
Eine Essvermeidungstechnik bestand darin, eine Kartoffel so mit der Gabel zu drücken, dass sie in die Luft hopste und neben dem Teller bzw. auf dem Fußboden landete. Eine fliegende Kartoffel hat mir die Tür zu Loriots Welt geöffnet: Wunderbar! Danke, Kartoffel.
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Intermezzo
Nach Beendigung meines Studiums an der dffb war ich im Sommer 1978 auf der Suche nach einem Stoff für einen Spielfilm. Meine Sehnsucht nach Kinofilmen hatte auch Auswirkungen auf »Loriot 6«. Sowohl unser Redakteur Jürgen Breest als auch ich bestärkten Loriot darin, die einzelnen Sketche stärker miteinander zu verschränken und der Sendung damit den Charakter einer durchgehenden Handlung zu geben. Im Prinzip war »Loriot 6« schon ein Schritt zu Loriots erstem Kinofilm, der aber erst sehr viel später, im Jahr 1988, folgen sollte.
Ich war mir darüber im Klaren, dass meine Zusammenarbeit mit Loriot, bei aller gegenseitigen Zuneigung, irgendwann ein Ende haben musste. Ich wollte meine eigenen Filme machen und nicht als ewige rechte Hand des Meisters durchs Leben gehen. Die Ablösung war nicht leicht, denn durch meine vielen Aufenthalte in Ammerland – meine Freundin wohnte um die Ecke – war ich am Starnberger See inzwischen fast heimisch geworden.
In meiner Familie in Berlin ging es heftig zu. Die Krankheit meines Bruders verschlimmerte sich, er musste mehrfach in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden. Mein Vater war mit der Situation überfordert, und für mich wurde es immer wichtiger, dass ich in Bülows Menschen gefunden hatte, die mich auffingen und aufbauten.
Im Juni nahmen mich Vicco und Romi auf einen Kurztrip nach Venedig mit. Es war eine unbeschreiblich schöne Zeit.Wir wohnten im Hotel »Danieli«, in dem schon meine Großeltern Schack (der Regimentskamerad des alten Bülow) auf ihrer Hochzeitsreise abgestiegen waren. Von meinem Zimmer aus konnte ich auf einen kleinen Seitenkanal sehen. Als ich morgens sehr früh von einem Geräusch geweckt wurde, sah ich aus dem Fenster. Tief unter mir nahm ein kleines Müllschiff den Abfall des Hotels auf. Ich fühlte mich wie in Lubitschs »Trouble in Paradise«, wo gleich zu Beginn eine Müllgondel durchs Bild fährt.
Loriot in Venedig – auf der Piazza San Marco, mit Zeitung und mit Romi
Der Zauber Venedigs konkurrierte mit der Fußball-WM in Argentinien. Am Tag der »Schmach von Córdoba« (Österreich schlug Deutschland 3:2, Deutschland musste nach Hause fahren, dafür war Italien weiter) flogen wir nach Venedig. Nachdem Deutschland aus dem Turnier ausgeschieden war, hieltenwir zu Italien. Während Italien gegen Brasilien um Platz drei spielte, schlenderten wir durch die menschenleere Stadt. »Public Viewing« gab es noch nicht, aber in jeder Bar stand ein kleiner Fernseher. Wir guckten immer wieder durch die Schaufensterscheiben nach innen und genossen ansonsten die selbst von Touristen leergefegten Straßen und Gassen.
Am ersten Abend gingen wir in das berühmte Restaurant »La Colomba«, berühmt deshalb, weil schon der Vater des damaligen Inhabers gern Künstler bewirtete, die ihm dann, statt die Zeche zu zahlen, ein Bild daließen. Reproduktionen der Kunstwerke wurden auf die Rückseiten der Speisekarten gedruckt. Nachdem wir schwarze Tintenfisch-Spaghetti genossen hatten, fragte Vicco den Wirt nach den Originalbildern. Der Chef der »Colomba« war stolz, uns seine Privatsammlung zu zeigen. Über eine enge Treppe führte er uns in seine Wohnung über dem Restaurant, in der die Bilder, allesamt Klassiker der Moderne, hingen – ein veritables Museum. Im Schlafzimmer schaute ein Selbstporträt vom großen italienischen Surrealisten Giorgio de Chirico ernst und prüfend auf das Ehebett gegenüber.
Die vier Tage begannen jeweils mit dem Frühstück auf der Dachterrasse des »Danieli« mit dem vielleicht schönsten Blick der Welt und waren angefüllt mit der ausführlichen Erkundung der Serenissima und ihrer Umgebung: Ghetto Nuovo, Palazzo Vendramin (wo Wagner starb), Burano mit seinen bunten Häusern, Caffè Florian, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni, Harry’s Bar, Dogenpalast, Basilica di San Marco und Campanile, Lido mit den alten Hotels »Des Bains« und »Excelsior«, San Zanipolo, Frari-Kirche und vieles mehr.
Schließlich wandelten wir noch auf den Spuren Hemingways, der längere Zeit in der »Locanda Cipriani« auf Venedigs Nachbarinsel Torcello gelebt hatte und dort »Across the River and Into the
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