Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
der nahenden Probe mit dem Orchester gewachsen fühlte.
Ich übertrug unsere Schnittfassung in zwei Taschenpartituren der beiden Ouvertüren. Die Partituren wurden den Philharmonikern geschickt, und die Musiker übertrugen unsere Schnitte in ihre Orchesterstimmen. Dass die Heroen meiner Jugend nach einer von mir eingestrichenen Beethoven-Partitur spielen würden, machte mich glücklich.
Nur der Ton für die störende Fliege – die in den Video- und DVD-Editionen bis heute fälschlicherweise als »Biene« durch die Inhaltsverzeichnisse geistert – fehlte noch. Ich durchforstete alle Münchner und Berliner Schallarchive, fand auch einige brauchbare Aufnahmen von Fliegen, aber entweder waren sie zu kurz oder zu leise. Und wir hatten keine Idee, wie man den Fliegenton laut und dennoch realistisch im Konzertsaal hörbar machen konnte.
Bei der ersten Vorbesprechung mit einigen Mitgliedern des Orchesters brachten wir das technisch-künstlerische Fliegenproblem zur Sprache und wurden beruhigt: »Da machen Sie sich mal keine Sorgen, die Fliege macht Ihnen der Wolfgang Güttler mit seinem Kontrabass, der liebt solchen Quatsch.« Wir waren skeptisch.
Zu Beginn der Probe wurde Loriot mit größter Herzlichkeit vom Orchester begrüßt. Seine Popularität war enorm, und die Musiker freuten sich darauf, endlich einmal mit ihm arbeiten zu dürfen. Als Erstes führte der Bassist Güttler uns seine »Fliege« vor. Er kratzte mit seinem Bogen schräg auf der höchsten Saite seines Kontrabasses herum, vor dem ein Mikro stand,das den simulierten Insektensound über Lautsprecher in den Saal übertrug. Und tatsächlich, es funktionierte, der riesige Bass klang wie eine winzige Fliege. Da die Fliege von einem Musiker »gesteuert« wurde, waren wir auch auf einen Schlag das Problem los, wann die Fliege wie lange und wie laut zu hören war. Güttlerseidank erwiesen sich unverhofft, wie Loriot es später formulierte, »die Jagd nach dem Tier und Beethovens Tonschöpfung als synchron«.
Die Probe des Sketches konnte beginnen. Loriot, noch ohne Kostüm und Maske, markierte den Auftritt des Klaviertransporteurs und jagte der musikalischen Fliege hinterher, bis er auf das Podium des Dirigenten gelangte. Und da passierte es dann: Er schwang den Arm, und das Orchester setzte wie verabredet mit dem Anfangsakkord der »Coriolan«-Ouvertüre ein. Der darauf folgende zweite Akkord aber, ein Tutti-Schlag, ließ auf sich warten. Die Musiker hielten den ersten Akkord so lange, bis Loriot zaghaft abwinkte und leicht irritiert fragte, wann denn endlich das »Rumms« käme, also der zweite Akkord, den er von seiner Kassette gewohnt war. Michel Schwalbé, der erste Konzertmeister des Orchesters, sagte freundlich: »Der kommt, wenn Sie ihn dirigieren …« Ungläubig fragte Loriot: »Sie spielen tatsächlich so, wie ich dirigiere?« – »Selbstverständlich.« Loriots Vermutung, das Orchester würde jedem folgen, der auf dem Dirigentenpodium steht, wurde auf sehr komische Weise bestätigt.
Während der weiteren Probe zog er dann das Tempo seines »Dirigats« einmal klammheimlich ganz leicht an, und die knapp einhundert Berliner Philharmoniker folgten ihm bereitwillig. Er hat diesen Moment, »… das war, als ob ein Jumbo-Jet abhebt«, immer als einen der Höhepunkte seines Lebens bezeichnet.
Der Abend des 6. Oktober 1979 wurde ein großer Erfolg. Kanzler Schmidt amüsierte sich sehr, und das Orchester war selig. Ich saß im Ü-Wagen und machte die Bildregie. Als Regisseur, der nur Kino im Kopf hatte, empfand ich die Fernseh-Bildregie ehrlich gesagt als ein bisschen unter meiner Würde. Ich bat deshalb darum, im Abspann der Sendung unter dem Pseudonym Ferdinand Ludwig genannt zu werden. Loriot kränkte das, was ich aus heutiger Sicht gut verstehe. Er empfand es als Distanzierung von sich und unserer gemeinsamen Arbeit, dabei war es doch nur der Arroganz des angehenden jungen Filmregisseurs geschuldet. Unserer Freundschaft hat diese kleine Irritation glücklicherweise nicht geschadet.
☞ GEGENSCHUSS HELMUT SCHMIDT ☜
Loriots witzige und treffsichere Karikaturen waren mir schon bekannt, als er 1979 – verkleidet als Orchesterarbeiter – in der Konzertpause der Berliner Philharmoniker die Bühne betrat. Der Auftritt ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Loriot begeisterte damals das Publikum mit seiner schauspielerischen und musikalischen Virtuosität gleichermaßen. Meine Frau und ich haben herzlich gelacht, gleichzeitig war ich von Loriots
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