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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Musikalität tief beeindruckt. Ich erkannte, dass dessen künstlerisches Talent keinesfalls auf Komik allein begrenzt war. Mit seiner vielfältigen Begabung, seiner Intelligenz und seinem feinsinnigen Humor hat Loriot auf unvergleichliche Weise brillante und zeitlose Unterhaltungskunst geschaffen.
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    Das Kanzlerfest war derart gelungen, dass die Philharmoniker drei Jahre später beschlossen, Loriot anlässlich des 100. Geburtstags des Orchesters zu einem weiteren Auftritt in die Philharmonie einzuladen. Diesmal war ich nur noch als beratender Freund dabei, ohne Vertrag, ohne Gage, aber dennoch mit großer Freude an der Sache. Es machte einfach zu viel Spaß, mit ihm im Musikerfoyer zu sitzen, zwischen geschäftigen Orchestermitgliedern, die noch hier und da eine Phrase intonierten, und die meinen Freund Vicco so sehr in ihr Herz geschlossen hatten, dass er sich vor Sympathiebekundungen kaum retten konnte.
    Während einer Probenpause kam im Musikerfoyer plötzlich Leonard Bernstein in Jeans und Windjacke an unserem Tisch vorbei und winkte Vicco locker zu, der ihm daraufhin von einem der Philharmoniker vorgestellt wurde. Im Rahmen der Hundertjahrfeier hatte das Orchester gegen den Willen Herbert von Karajans beschlossen, dass Bernstein es endlich zum ersten Mal dirigieren durfte. Karajan hatte dies bis dahin immer zu verhindern gewusst. Nun dirigierte sein Erzrivale Bernstein in Berlin die 9. Symphonie von Mahler, und die Musiker waren von der Arbeit mit »Lenny« derart beglückt, dass sie – ein einmaliger Vorgang – sogar mehr Proben haben wollten, als angesetzt waren.
    Durch unsere Arbeit in der Philharmonie konnten wir vormittags in die Generalprobe des Bernstein-Konzerts gehen und abends die Aufführung hören. Eine einmalige doppelte Sternstunde, Bernstein hat die Philharmoniker danach nie wieder dirigiert.
    Zu ihrer musikalisch-humoristischen Geburtstagsfeier hatten die Philharmoniker eine illustre Schar großer Interpreten eingeladen. Loriot trat zusammen mit Seiji Ozawa, Yehudi Menuhin, Krystian Zimerman, Brigitte Engerer und Anne-Sophie Mutter auf.
    Diesmal hatte er drei Auftritte. Beim ersten dirigierte er, nachdem er erneut einige »Stunden« bei mir genommen hatte (Joachim Kaiser lobte in der SZ seine »kompetente Zeichengebung«), »Åses Tod« aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg – im Programm als »Åses Not « angekündigt. Vor dem Orchester standen vier Solisten, unter ihnen der Musikdramaturg und der Intendant des Hauses, beide im Frack. Im Saal waren zwei weitere Solisten verteilt. Die Aufgabe der Solisten war übersichtlich. Sie hatten auf den Einsatz des Dirigenten Loriot hin an den leisesten Stellen zu husten, zu niesen, zuknistern, ihr Opernglas fallen zu lassen, zum falschen Zeitpunkt zu applaudieren oder ihre Handtasche lärmend auf den Boden des Podiums zu entleeren.
    Probe zu »Åses Not«
    Loriots humorvolle Verarbeitung der Neigung des Publikums, vorzugsweise in Momenten der Stille auf sich aufmerksam zu machen (Åses Tod ist ein sehr zartes Stück), löste großen Jubel aus. Viele Jahre später, im Grippe-März 2000, hat er den Philharmonikern eine Zeichnung übereignet, die einen hustenden Knollennasenmann in einem Parkverbotsschild zeigt. Die Zeichnung erschien bis 2012 in jedem Philharmoniker-Programm.
    Als Nächstes trat Loriot als Dr. Schmitt-Eidelstedt auf, Kulturdezernent des Bezirks Berlin-Tiergarten. Er sah aus wie Cary Grant und hielt eine Festansprache, die »bis nach Pankow« zu hören war. In der 1982 noch geteilten Stadt ein großer Lacher.
    Seinen ganz großen Auftritt hatte er aber erst zum Schluss als Strickjacke tragender Heimdirigent Hans Priem-Bergrath. Auf dem Podium war ein improvisiertes Wohnzimmer aufgebaut, mit Standspiegel, Stehlampe, Sessel und Plattenspieler.Dahinter saß das komplette Orchester im Dunkeln und spielte synchron und live all das, was dem dilettierenden eitlen Musikliebliebhaber in seinem Heim passierte: das Aussuchen der richtigen Platte mit mehrfachem Auflegen und Abbrechen, mehrere Sprünge in der Schallplatte, das Leisedrehen der Musik während eines Telefonats und schließlich – eine Meisterleistung des Orchesters – das Herunterleiern der Platte, als der Heimdirigent den Netzstecker versehentlich herauszieht und der Plattenspieler ausläuft.
    Loriot hatte sich für die Krönung des Sketches »Les Préludes« von Liszt ausgesucht. Für mich war das lediglich ein bombastisches romantisches Orchesterstück, für ihn verbanden

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