Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
gelegenen Grenzübergang ausgesucht, bei dem man uns, wie wir hofften und wie das zwischen Frankreich und Deutschland üblich war, durchwinken würde. Es war kein großer Umweg, so fuhren wir über enge, kurvige Landstraßen, kicherten und parodierten mit etwas schwerer Zunge den Weinhändler: »… ein paar Fläschchen Wein«, ein Satz, der sich angetrunken besonders gut lallen lässt. Meine Freundin, die fuhr, hatte vielleicht auch ein bisschen zu viel intus, aber doch nicht ganz so viel wie wir anderen.
Als wir an den kleinen Grenzübergang kamen, trat der deutsche Zöllner aus seinem Häuschen und machte uns mit martialischer Geste klar, dass wir anzuhalten hätten. Er nahm unsere Ausweise entgegen und verschwand mit einem knappen »Moment« in seiner Zollstation. Wir waren schlagartig nüchtern und malten uns das Schlimmste aus. Erst würde man im Kofferraum die zu vielen Weinflaschen finden, dann die Fahrerin auf ihren Blutalkohol überprüfen und ihr die Weiterfahrt untersagen. Das Auto würde an der Grenze stehen bleiben müssen, wir wären gezwungen, mit einem Taxinach Baden-Baden zurückzufahren, und in der »Bild«-Zeitung würde am nächsten Tag stehen: »Volltrunkener Loriot an der deutsch-französischen Grenze beim Weinschmuggel verhaftet!«
Das Lachen war uns gründlich vergangen, als der Grenzer mit ernster Miene und einem dicken Buch unter dem Arm zu unserem Auto zurückkam. Meine Freundin kurbelte die Scheibe herunter, der Beamte reichte das Buch durchs Fenster und sagte unvermutet lächelnd: »Herr von Bülow, das ist unser Gästebuch. Würden Sie uns da freundlicherweise etwas reinschreiben, hier kommen ja nicht so oft Prominente vorbei.« Wir brauchten einen Moment, bis wir erleichtert waren. Ein Gästebuch an einer Zollstation? Loriot nahm das Buch auf seinen Schoß, zeichnete mit zitternden Fingern ein Nasenmännchen mit einer Blume im Mund und reichte es dem dankbaren Uniformierten zurück. Der gab uns unsere Ausweise, und wir fuhren, so schnell es erlaubt war, davon. Der Schreck wirkte noch etwas nach, dann entlud sich die Spannung in hemmungslosem Gelächter. Der Satz »ein paar Fläschchen Wein« wurde von uns später noch oft zitiert.
Im Sommer 1980 verbrachte ich zwei ereignisreiche Wochen am Starnberger See. Im Rahmen der Feiern zum Wittelsbacher Jahr gab man im Münchner Cuvilliés-Theater das barocke Theaterfest »I Trionfi di Baviera«. Loriot trat als Zeremonienmeister auf und war froh, mich als beratenden Freund in seiner Nähe zu haben. Außerdem dachten wir uns gemeinsam weitere Sketche für »Report« aus, die im Herbst gedreht werden sollten, und grübelten über Wum und Wendelin-Cartoons nach.
Während der Münchner Opernfestspiele besuchten wir die Generalprobe und die Premiere von »Tristan und Isolde« im Nationaltheater. Wolfgang Sawallisch dirigierte, August Everding inszenierte, Spas Wenkoff sang den Tristan, und die unglaublich jugendlich und klar singende Hildegard Behrens war eine Offenbarung als Isolde.
Es folgte in diesem Jahr, in dem aus unserer Arbeitsbeziehung nach und nach eine Freundschaft auf Augenhöhe wurde, noch Bayreuth mit dem abschließenden Zyklus des Chéreau-Ringes. Nachdem es bei der Premiere 1976 noch Flugblätter, Buhrufe und Trillerpfeifen gegen den jungen französischen Regisseur gegeben hatte, gab es nach dessen letzter »Götterdämmerung« neunzig Minuten lang Applaus und 101 Vorhänge, ein Rekord in der Festspielgeschichte und für uns, die wir bis zum Schluss mitgeklatscht haben, ein unvergesslicher Moment.
Die filmhistorische Retrospektive der Berlinale war 1980 dem großen Billy Wilder gewidmet. Ich kannte zwar »Some Like it Hot« und »Zeugin der Anklage«, aber viele seiner meisterhaften Filme hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Also ging ich jeden Tag ins Kino und entdeckte den ganzen Kosmos von Wilders Meisterwerken. Wie der Zufall es wollte, hatten diese Entdeckungen auch Auswirkungen auf Loriot und mich.
Anfang der 1980er Jahre konzentrierte ich mich darauf, endlich meinen ersten richtigen Kinofilm zu drehen. Mit meinen Kollegen Hartman Schmige und Christian Rateuke hatte ich ein dramaturgisch unorthodoxes episodenhaftes Drehbuch geschrieben, das wohl nicht zuletzt aufgrund der Fürsprache von Loriot bei der Bavaria Anklang fand und 1982 produziert wurde.
Loriot trat gelegentlich in Filmen von Freunden auf, so bei Dominik Graf und bei Bernhard Sinkel, in dessen »Felix Krull« er einmal kurz als Thomas Mann durchs Bild
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