Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
–, die von einem über fünfzig Personen starken antikischen Chor mit barbusigen Amazonen und togabehangenen Römern bevölkert wurde. Es gab Ballerinen, auf deren Hinterteilen jeweils eine goldene 60 prangte, und blumenstreuende Mädchen. Obendrein einen Männerchor aus zehn Fernsehintendanten und fünf Politikern, einen Festredner, ein Streichquartett undeinen Kinderchor. Die Moderatorin der Feier war Evelyn Hamann.
Als Musik hielten wir – nach einer unserer rituellen musikalischen Sitzungen in Loriots Arbeitszimmer – Wagners »Großen Festmarsch zur Eröffnung der hundertjährigen Gedenkfeier der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika« für angemessen. Das Werk war einerseits für den Anlass feierlich genug, andererseits eine derart misslungene Auftragskomposition (5000 $!), dass Skrupel, sich am Werk des Bayreuther Meisters zu vergehen, bei uns gar nicht erst aufkamen.
Nachdem die Musik ausgesucht war, dichteten wir einen albernen Geburtstagstext, den der Chor zu Wagners Bombast singen sollte, gipfelnd in der Wiederholung der Worte »Burtstag heut, Burtstag heut …« Ein Chor in Bremen nahm den Gesangspart auf, der mit einer vorhandenen Orchesteraufnahme kombiniert wurde. Unsere antiken Statisten sangen später Playback dazu.
Das große Finale endet mit einem in der Kulisse hängengebliebenen Loriot. Im Originaldrehbuch war der Weg zu diesem kläglichen Ende genau vorgezeichnet. Der Mechanismus der Hebevorrichtung für Loriots Aufstieg im Tempel, deren Stocken, was dazu führt, dass nur der Kopf des Jubilars in der oberen Tempelöffnung sichtbar wurde, die Ehrenjungfrauen, die dem zu ihren Füßen aufgetauchten Loriot einen zu großen Lorbeerkranz aufsetzen, der über seine Augen rutscht, und ebenso der verunglückte Weiteraufstieg bis hoch über die vorgesehene Position im Tempelfenster hinaus. Zum Schluss sah man nur noch Loriots Beine. Nachdem die Hydraulik der Hebevorrichtung wieder eingefahren war, hingen sie oben aus der Kulisse. Die »6« der »60« kippte, so dass daraus eine »90« wurde. Loriots detaillierte seitenlange Regieanweisungen erinnerten mich an die abschließende Szenenbeschreibung von Wagners »Götterdämmerung«. Weil die Apotheose aber so aufwendig und teuer produziert worden war, beschloss man, sie fünf Jahre später zu wiederholen, als Finale für die Sendung zu Loriots 65. Geburtstag.
Nachdem wir die Sendung zu Loriots 60. fertiggestellt hatten, gingen wir beruflich für lange Zeit getrennte Wege. Die paradiesischen Zustände, unter denen Loriot produzieren konnte, habe ich seitdem nie wieder erlebt. Ich lernte schnell die Härte des Filmbusiness kennen. Für Loriot hingegen setzte sich, als er seine beiden Spielfilme drehte, der Aufenthalt im Paradies fort. Horst Wendlandt, sein späterer Produzent, sagte ihm einmal: »Ich verbiete dir, mehr als zweieinhalb Minuten am Tag zu drehen!«, ein Satz, den ich leider nie im meinem Leben als Regisseur gehört habe.
Geblieben ist auch von unser letzten gemeinsamen Bremer Produktion ein Zitat. Wann immer einer von uns in den folgenden Jahren Geburtstag hatte, riefen wir uns ein liebevolles »Burtstag heut, Burtstag heut!« zu.
Gefeiert wurde Viccos echter 60. in Ammerland, mit Familie und Freunden.
Familie, Freunde & Häusliches
1983, im Jahr des »60. Geburtstags«, war mein Vater gestorben. Die Lücke, die er hinterließ, aber auch die Defizite einer nicht immer unproblematischen Vater-Sohn-Beziehung füllte Vicco perfekt aus. Mein angeheirateter Neffe dritten Grades wurde endgültig zu meinem väterlichen Freund.
Dabei spielten gewisse Initiationsriten eine nicht unbedeutende Rolle. Vicco war, wie bereits erwähnt, ein Mensch, der alles, was er liebte, mit anderen teilte. Er war ein notorischer Verwöhner. Sein eigener Genuss verstärkte sich, wenn er Familie und Freunde in seine Welt entführte. Seine Welt, das war die Musik im Allgemeinen und Tenöre im Speziellen, es konnten aber genauso gut auch Reiseziele oder kulinarische Abenteuer sein.
Mit Vicco aß ich zum ersten Mal in meinem Leben Austern, betrat mein erstes Drei-Sterne-Restaurant, löffelte im Hamburger Hotel »Vier Jahreszeiten« Kaviar aus einer Zwei-Kilo-Dose und war Gast im Hotel »Danieli« in Venedig.
Mein Vater war ein Mensch, dem Luxus nicht viel bedeutete. Grandhotels und erstklassige Restaurants waren seine Sache nicht. Er stammte aus einfachen Verhältnissen und hielt auch das Geld ganz gern zusammen.
Vicco hingegen war ein
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