Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Genießer alter Schule. Es ging ihm nicht darum, irgendwelchen Moden hinterherzuhecheln. Er genoss die Dinge, weil er etwas von ihnen verstand. Von ihm habe ich gelernt, dass man es nie bereut, für ein wirklich gutes Essen oder ein gutes Hotel auch gutes Geld zu bezahlen.
Aber Vicco vermittelte auch ganz einfache Dinge. Er liebte es, auf eine heiße Pizza eine frische Tomate in Scheiben zu schneiden. Der Kontrast von heiß und kalt ist köstlich. Das Problem war nur, dass er bei Kellnern in italienischen Restaurants gewöhnlich auf Unverständnis stieß, wenn er eine rohe Tomate bestellte. Sie nahmen an, er wolle einen Tomatensalat. Aber Vicco wollte einfach nur eine rohe Tomate auf einem Teller haben. Und ein scharfes Messer. Er hatte es mit diesem Sonderwunsch nicht immer leicht.
Auch seine Technik, ein gekochtes Frühstücksei zu pellen, war sehenswert. Er schlug das Ei mit dem Löffel auf und löste dann die einzelnen Stücken der Schale, indem er sie elegant zwischen Löffel und Daumen griff, um sie im Eierbecher zu entsorgen. Das sah deutlich besser aus, als mit zwei Fingern an dem Ei herumzupulen.
Und noch etwas erlebte ich im Hause Bülow zum ersten Mal. Es wurde vom Krieg erzählt. Die meisten meiner Generationsgenossen kannten von ihren Vätern derartige Erzählungen. Für mich war das neu, weil mein Vater als Schauspieler vom Militärdienst befreit gewesen war und sich in den letzten Kriegstagen im Keller versteckt hatte, um nicht im Volkssturm verheizt zu werden. Vicco war drei Jahre in Russland gewesen und erzählte – wenn auch selten – mit Ergriffenheit, Scham und Trauer von seiner verlorenen Jugend, doch davon später.
1986 heiratete ich in Rom. Da meine Eltern nicht mehr lebten und unsere Familien nicht frei von Problemen waren, beschlossen wir, zu dem Ereignis nur Vicco und Romi hinzuzubitten. Die beiden wurden unsere Trauzeugen und einzigen Gäste der clandestinen Hochzeit. Die Trauung fand im Standesamt auf dem Kapitol statt. Vorher mussten wir zur »Anagrafe«, dem Einwohnermeldeamt Roms, um den nötigen Papierkram zu erledigen. Es war ein hinter dem Kapitol an derVia Luigi Petroselli, einer lauten Durchgangsstraße, gelegenes düsteres Gebäude aus der Mussolini-Zeit, mit abgeschabten Bänken auf den Fluren. Ein seltsamer Kontrast zu den Schönheiten der Ewigen Stadt.
Loriot hatte in seinem Pass seinen Künstlernamen eintragen lassen. Er gab den Pass, wie auch wir, dem römischen Beamten, der damit in seinem Dienstzimmer verschwand. Wenig später wurden Bülows von dem Mann aufgerufen: »Signora Vonbuloff e signor Kunstlername per favore.« Die Hochzeit war dann sehr harmonisch. Romi übernahm später die Patenschaft unserer zweiten Tochter Josefine, und für meine beiden Töchter wurden Bülows wichtige, quasi großelterliche Bezugspersonen.
Ich gründete also eine Familie, schrieb Drehbücher und drehte Kinofilme, Fernsehfilme, Serien und diverse Sketchsendungen. Meine frühere Zusammenarbeit mit Loriot hat mir dabei viele Türen geöffnet.
Mindestens viermal jährlich fuhren wir nach Ammerland, zusätzlich zu den gemeinsamen Besuchen der Bayreuther Festspiele. Unsere Sommerferien verbrachten wir meist am Mittelmeer. Bevor und nachdem wir die Alpen überquerten, waren regelmäßige Besuche bei Bülows Pflicht. Ebenso im Winter, wenn wir auf dem Weg zum Skifahren in Ammerland Rast machten. So erlebten wir im Laufe der Jahre, wie die Möpse, im Gegensatz zu ihren Besitzern, sichtlich alterten und einer neuen Generation Platz machten.
Nachdem meine Ehe geschieden war und ich erneut heiratete, wurde auch meine jetzige Frau Liele (Maria) herzlich in die erweiterte Bülow’sche Familie aufgenommen.
Auch wenn ich nicht mehr für ihn arbeitete, so war Vicco doch so nett, mich im Januar 1993 für mehrere Wochen, in denen ich eine Fernsehserie für die Bavaria in München schnitt, bei sich in Ammerland wohnen zu lassen. Ich hatte einen Leihwagen zur Verfügung und fuhr jeden Tag vom Starnberger See ins Studio nach Geiselgasteig. Das Auto hatte einen CD-Spieler, auf den Fahrten begleitete mich Musik aus Viccos gut sortiertem Regal.
Eines Tages empfahl er mir den »Tristan« von Carlos Kleiber, den er über alle Maßen schätzte – mit der kleinen Einschränkung, dass die Dynamik der Aufnahme derart groß war, dass er sich genötigt sah, in seinem Zimmer immer wieder aufzustehen, zu seinem Verstärker zu gehen und die Lautstärke nachzuregulieren. Im Auto, wo die Klangdynamik komprimiert
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