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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Begegnungen
    Die allererste prominente Begegnung, die ich Loriot verdanke, war medialer Natur. Loriot zeichnete regelmäßig für die ZDF-Show »Der Große Preis« Trickfilme mit dem Hund Wum und dem Elefanten Wendelin. Man schrieb das Jahr 1978, Micky Maus wurde 50 und besuchte zu diesem Anlass seine beiden deutschen Kollegen. Nun stellt man sich vor, dass die Zeichner von Loriots Studio einfach Micky in ihren Cartoon einbauen würden. Weit gefehlt. Nachdem Disney seine Einwilligung zum Geburtstagsbesuch gegeben hatte, bekam das Studio Loriot Post aus Hollywood.
    Ich war schon ein bisschen aufgeregt, als die angekündigte »Bibel« von Disney ankam, denn ich hatte mit Micky-Maus-Heften lesen gelernt und war mit dem prominenten Gast seit früher Kindheit sehr vertraut. Die »Character Bible« war ein dickes Buch mit Beispielskizzen, in denen genau festgelegt war, wie Micky in bestimmten Gefühlslagen schauen und sich bewegen durfte – und wie auf gar keinen Fall. Jedes Detail von Mickys Mimik und Körpersprache war katalogisiert, ebenso wie die gängigsten Fehler, die es unbedingt zu vermeiden galt. Und tatsächlich, die in dem Buch zahlreich vertretenen »falschen« Micky Mäuse hatten nicht den unmittelbaren Ausdruck, den man von Disneys berühmtester Figur kannte. Erstaunlich fand ich, mit welcher Präzision und Professionalität selbst ein so kleiner »Geburtstagsbesuch« im deutschen Fernsehen von Seiten Disneys geplant wurde.
    Im Bundespräsidialamt ging es ähnlich planvoll zu. Zum 80. Geburtstag Richard von Weizsäckers im Mai 2000 war unter der künstlerischen Leitung von Torsten Maß ein bunter Abend mit Schauspieler-Lesungen und musikalischen Scherzen der Berliner Philharmoniker geplant. Ich war 1993, zur Amtszeit von Weizsäckers, schon einmal zu einer Lesung von Loriot und Evelyn Hamann und einer Aufführung vom »Karneval der Tiere« ins Schloss Bellevue eingeladen gewesen. Diesmal bat man mich, die Abendregie zu übernehmen und Loriot in Bezug auf seine Textauswahl zu beraten, eine große Ehre und eine noch größere Verantwortung.
    Nun ist der 80. Geburtstag eines Altbundespräsidenten eine delikate Angelegenheit, zumal wenn er von seinem Nachfolger ausgerichtet wird, in diesem Fall Bundespräsident Johannes Rau. Jeder Wortbeitrag musste sowohl auf den einen als auch auf den anderen Präsidenten passen, es durften keine Fettnäpfchen herumstehen, aber komisch sollte es schon sein – und gleichzeitig Tiefe haben.
    Um die Sache noch reizvoller zu machen, hatte sich der tschechische Präsident Václav Havel als Ehrengast angesagt. Es sollte also bitteschön auch etwas Tschechisches im Programm sein, ein bisschen Dvořák, Smetana oder Janáček. Die Mails zwischen dem Bundespräsidialamt und mir liefen wochenlang heiß, dann kam die Generalprobe – am Morgen der Veranstaltung. Es war eine Katastrophe. Der Schauspieler Walter Schmidinger erschien nicht, stattdessen überraschte uns ein Fernsehteam, das den Abend plötzlich mitfilmen sollte. Der Tonmann sah technische Probleme und ging lautstark mit einem Ministerialdirigenten in den Clinch, und das musikalische Programm musste in letzter Minute umgestellt werden. Letztendlich gelang uns dann aber doch eine sehr schöne Veranstaltung. Loriot las zum großen Vergnügen der drei Präsidenten aus Thomas Manns »Lotte in Weimar«, Schmidinger las hinreißend aus »Alte Meister« von Thomas Bernhard, und Meret Becker sang »Happy Birthday«.
    Der nächste Besuch im Schloss Bellevue fand wieder anlässlich eines 80. Geburtstages statt. Diesmal hieß der Jubilar Vicco von Bülow. Der Präsident hieß immer noch Johannes Rau. Von meiner Mutter hatte ich gelernt, dass man zu einer Einladung immer einige Minuten zu spät erscheint, um dem Gastgeber nicht unnötig Stress zu bereiten. Meine Frau und ich kamen also mit etwa zehnminütiger Verspätung im Bellevue an, nicht ahnend, dass wir die Letzten waren. Erleichtert rief ein Herr vom Protokoll durchsTreppenhaus: »Lukschys sind da, wir können anfangen!« Wir wären am liebsten im Boden versunken. Der Hintergrund dieser kleinen Peinlichkeit wurde uns gleich erklärt: Der Bundespräsident kann mit der offiziellen Begrüßung seiner Gäste erst beginnen, wenn alle da sind. Und Diplomaten sind immer pünktlich.
    Nachdem das von einem Bundeswehrkoch zubereitete köstliche Diner vorbei war und man zum gemütlichen Teil des Abends überging, entpuppte sich Johannes Rau als leidenschaftlicher

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