Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
seiner Einladung an uns formulierte, »aufgegessen werden muss, bevor wir ihn Bedürftigen übergeben«. Ich bot mich gerne an, diese Aufgabe zu übernehmen.
Ich hatte Vicco von Bülow in der Vergangenheit schon einige wenige Male getroffen und bei irgendwelchen öffentlichen Anlässen auch kurz mit ihm und seiner Frau Romi sprechen können. Auf seine Einladung hatte ich mich im Grunde 36 Jahre lang vorbereitet. Ich kannte den Loriot’schen Kanon, wusste um seltene Trivia-Fakten und googelte vorab zur Sicherheit noch einmal die Geschichte Brandenburgs und Radio Bremens.
Als meine Frau und ich die Treppe zur Wohnung heraufkamen, empfing uns Herr von Bülow im Türrahmen. Ich sah ihn. Und dachte unmittelbar an meinen geliebten weißhaarigen Großvater, der mich über Jahrzehnte bei meinen häufigen Besuchen in seiner Wohnung in Bonn stets vergnügt von der Schwelle aus angrinste und ein herzliches »Bastilein!« durch den Hausflur schallen ließ. Er schaute dabei stets erwartungsvoll, vielleicht hoffte er auf ein Mitbringsel, und seine Hosen waren im gesetzten Alter meist etwas zu groß, was eine vergnügliche Gemütlichkeit symbolisierte. Bei Herrn von Bülow war es genauso (bis auf den Ausruf ), und ich glaubte tatsächlich, ich würde im besten Sinne ›nach Hause‹ kommen. Diese Sekunde werde ich niemals vergessen.
Aber meine Frau und ich erkannten sofort instinktiv, dass wir uns völlig ›overdressed‹ hatten. Wir glaubten ja, dass noch drei, vier Müller-Lüdenscheidts, Frau Dr. Plötzmann oder wenigstens eine der irren Mielke-Schwestern von nebenan mit uns eingeladen worden wären. Sinngemäß.
So war es nicht, es war viel besser: wir lernten die von Bülows an diesem Samstagnachmittag gemeinsam mit dem Autor dieses Buches und seiner Gattin kennen und nichts und niemand störte uns bei diesem langen und fröhlichen Beisammensein.
Und ich kann mich nicht erinnern, auch nur ein Stück von dem Kuchen gegessen zu haben.
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Das Artemis-Quartett lernten wir gemeinsam bei einem Hauskonzert bei Andrea Bernstorff und Peter Raue kennen. Eckart Runge, der Cellist, outete sich als glühender Loriot-Fan. Als wieder einmal ein Hauskonzert des Quartetts bei Raues anstand, saß Vicco vorher etwas schlapp bei uns in der Wohnung. Er konnte sich nicht vorstellen, ein ganzes Konzert durchzuhalten. Meine Frau kredenzte unserem müden Freund ein Gläschen Likör der Sorte »Roter Weinbergspfirsich«. Der Likör tat seine Wirkung. Loriot hielt nicht nur das Konzert durch, sondern plauderte danach noch lange mit den vier Musikern, allen voran mit seinem Fan Eckart Runge, der bald auch ein guter Freund von uns wurde. Wohlige Erinnerungen an die Abende mit dem Amadeus-Quartett in Elmau wurden wach.
Nach Loriots Tod scheute sich Eckart Runge, eine uralte Aufnahme Loriots auf seinem Anrufbeantworter zu löschen. Das Gerät war zwar schon seit Längerem ausrangiert, aber Eckart warf es nicht weg, eben wegen Loriots darauf befindlicher Stimme. Ganze fünf Jahre lang hatte er es unbenutzt am Netz gelassen in Sorge, Loriots Nachricht könnte ohne Strom vom Chip gelöscht werden – und das Gerät hatte einen Umzug mitgemacht. Irgendwann entschloss er sich, mit seiner Frau Susanne und seinem alten Anrufbeantworter zu uns zum Essen zu kommen. Ich besaß die nötige Technik, um die kostbare Aufnahme auf eine CD zu kopieren. Auch ich habe bis heute sowohl auf meinem Anrufbeantworter als auch auf meiner Handy-Mailbox Nachrichten von Vicco, die zu löschen ich nicht übers Herz bringe.
Ab und zu konnten wir uns für die vielen schönen Einladungen bei Bülows revanchieren. So verbrachten wir mit ihnen und einem weiteren älteren Neffen dritten Grades von mir einen sehr berlinischen Abend in »Clärchens Ballhaus« in Mitte. Wir hatten meinem Neffen und seiner Frau zu seinem Geburtstag »Pasta Opera« geschenkt, eine lustige Veranstaltung im reizvoll verfallenen alten Spiegelsaal des Ballhauses, in dem eine Truppe junger Sänger während eines einfachen italienischen Essens bei Kerzenschein Opernarien in Rokoko-Kostümen zum Besten gab. Bülows begleiteten uns, und Vicco war hingerissen von der Show und scherzte mit der Leiterin der Truppe.
Mit Rokoko-Perücke und Julia Regehr
Weil Bülows immer häufiger in Berlin waren, luden wir öfter Gäste für und mit Bülows zu uns ein. Die von ihm verehrte Angelica Domröse und ihr Mann Hilmar Thate, die in der Wohnung über uns wohnen, waren mehrfach zugegen – und schließlich feierten wir
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