Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Zahnersatzzusatzversicherung würde es wohl schwierig werden. Dafür ist die Wirkung Loriot’scher Komik generationsübergreifend, sie altert nicht. Das fiel mir zum ersten Mal auf, als uns eine Freundin meiner damals vierzehnjährigen Tochter auf ihrem iPod die »Herren im Bad« präsentierte und sich vor Lachen kringelte.
Loriot verfuhr nach dem Grundsatz, die Dinge so darzustellen, wie sie archetypisch im kollektiven Gedächtnis der Zuschauer abgelegt waren. Er wollte nie modern sein. Er war derAnsicht, dass man zeitloser wird, wenn man schon von vornherein veraltet zu sein scheint. Viele seiner Kollegen haben sich beim Zeichnen stark am realen aktuellen Erscheinungsbild der Dinge orientiert, wie zum Beispiel Peter Neugebauer. Nicht so Loriot. Der hat Lastwagen noch mit langen Schnauzen gezeichnet, als diese längst Oldtimer waren und nur noch flache Schnauzen die Autobahnen bevölkerten. Und in seinen Sketchen aus den siebziger Jahren sahen die Figuren eher aus wie in den Fünfzigern.
Deshalb ärgerte es ihn auch, dass die moderne Gerätewelt nur noch Dinge im Einheitsdesign hervorbrachte. Immer wieder monierte er, dass man zwischen einem Telefon, einer Fernbedienung und einem Rasierapparat nicht mehr unterscheiden könne. Er fand, dass die Welt der Dinge sich dadurch der komischen Darstellung entzog. Auch seine beiden Spielfilme (»Ödipussi«, 1988, und »Pappa ante Portas«, 1991) sind in ihrer altmodischen Zeitlosigkeit gute Beispiele für seine Methode.
Vicco konnte privat rasend komisch sein, aber er war, wie übrigens auch Chaplin, kein großer Witzeerzähler. Dennoch hatte er ein Faible für preußische Offizierswitze und Witze, die mit dem Berliner Idiom zu tun hatten. Die erzählte er gerne. Man möge sich Loriots Stimme vergegenwärtigen und sich vorstellen, wie er den gutturalen Berliner Tonfall anschlägt: »Zwei Offiziere sitzen im Konzert. Einer von ihnen guckt durchs Monokel ins Programmheft und raunt seinem Nachbarn zu: ‹Komm, Kamerad, wir jehn, jetzt steicht die Symphonie, det Aas hat vier Sätze.‹«
Oder, noch preußischer und wohl aus alten »Simplicissimus«-Zeiten stammend: »Zwei schneidige Leutnants im Gespräch. ›Sagen Se mal, Ihr Fräulein Braut ist ja janz entzückend!‹ – ›Finden Se? Mir jefällt se nich …‹«
Überhaupt der »Simplicissimus«. Die Zeichner der Münchner Satirezeitschrift Th. Th. Heine, Olaf Gulbransson undEduard Thöny liebte er, in seinem Arbeitszimmer hingen einige ihrer Originale. Und Loriot wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, wie viel Sinn für Komik preußische Offiziere, darunter auch sein Vater, hatten. Dazu gehörte die für mich erstaunliche Mitteilung, dass viele der »Simplicissimus«-Witze über das preußische Offizierskorps von diesem selbst der Zeitschrift zugespielt wurden.
Zu dem Genre der von Loriot geschätzten preußischen Witze gehörte auch ein Witz des Kabarettisten und Schauspielers Wolfgang Neuss: »Stehen zwei Freunde zusammen. Sagt der eine: ›Jestern Hoppegarten jewesen. Bücke mir, um meine Schuhe zuzubinden, kommt doch eener von hinten und sattelt mir.‹ – ›Und?‹ – ›Zweeter jeworden.‹«
Nach der Lektüre von Fontanes Briefen erzählte Vicco uns den Lieblingswitz des Dichters: »Der Lehrer bittet klein Fritzchen, ihm vier Tiere aus Afrika zu nennen, worauf dieser antwortet: ›Drei Löwen und ein Nilpferd.‹«
Als er älter wurde, hatte Loriot zunehmend Spaß an albernen Wortspielen. Besonders angetan hatte es ihm folgender Witz: »Gerät man betrunken in eine Polizeikontrolle, so muss man sich nur drei Dinge merken: ›Eishockey‹, ›Kanufahren‹ und ›Wirsing‹. Wenn der Beamte einen nach dem Führerschein fragt, kurbelt man die Scheibe herunter und lallt ›Eishockey (Alles okay), Kanufahren (Kann noch fahren) und Wirsing (Wiedersehen)‹, dann gibt man ganz schnell Gas und verschwindet.« Vicco liebte diesen höchst albernen Scherz, konnte sich aber die drei Dinge nicht mehr gut merken. Deshalb rief er mehrfach bei mir an und fragte, weil er den Witz erzählen wollte: »Was war noch mal das Dritte?«
Irgendwann schenkten wir ihm ein kleines Notizbüchlein und schrieben die Dinge, die er sich partout nicht merken konnte, hinein: »Eishockey – Kanufahren – Wirsing«, den Namen eines italienischen Restaurants in Berlin – und das kleineScherzrätsel, das er uns beigebracht, aber nicht immer fehlerfrei parat hatte:
Nach guter alter deutscher Sitte
trägt es der Vater in der
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