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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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Gefängnis nehmen sie einem die Medikamente weg. Ich würde das nicht überleben. «
    » Sie kommen nicht ins Gefängnis, Barry « , sagte ich. » Sie können nicht einfach so weglaufen. Weglaufen ist keine Lösung. Erinnern Sie sich noch, warum Sie Texas verlassen haben? Ich glaube, es ist besser, Sie kehren in Ihre Wohnung zurück. Lassen Sie sich Zeit, ruhen Sie sich aus, denken Sie nach und erholen Sie sich. Wir vereinbaren einen Termin, und Sie kommen wieder in Behandlung. «
    » Sie sind am Fenster « , sagte er. » Sie haben einen Polizeiwagen geschickt. Sie verfolgen mich. Sie haben mein Telefon angezapft. Ich höre alle möglichen Geräusche und ein Klicken. Sie spähen bei mir zu Hause durchs Schlüsselloch. Gestern Abend … ich habe mich die ganze Nacht im Schrank versteckt. Mimi hat versucht, mich zu beruhigen, aber ich habe sie gehört. Sie sagt, sie hört sie nicht. Aber sie sind da. Ich höre sie … «
    » Die Polizei verfolgt Sie? «
    » Ja. Sie sind hinter mir her; sie wollen mir etwas anhängen. «
    » Warum? «
    » Ich weiß nicht, warum. Sie sind da draußen. Ich habe sie vorbeifahren sehen. «
    » Es fahren die ganze Zeit zufällig Polizeiautos vorbei, das bedeutet nicht, dass sie hinter Ihnen her sind. «
    » Sie wollen, dass es zufällig wirkt, verstehen Sie? Aber sie sind hinter mir her. Sie rufen mich an und legen auf. «
    » Sie denken nicht richtig, Barry. Sie sind krank. Sie stellen sich Dinge vor, die es gar nicht gibt. Ihr Gehirn spielt Ihnen einen Streich. Sie müssen in ein Krankenhaus. «
    » Nein. Kein Krankenhaus. Dort sperren sie mich ein, und ich komme nie wieder raus. Ich gehe dort nicht hin. Bitte verlangen Sie nicht, dass ich … «
    » Niemand wird Sie zwingen, dorthin zu gehen. Sie sind ein freier Mann und haben bestimmte Rechte. Aber warum gehen wir jetzt nicht in meine Praxis? Ich verspreche Ihnen, dass dort niemand kommt. Sie wollen eigentlich nicht nach Texas. Was soll denn Mimi ohne Sie machen? Denken Sie nach, Barry. «
    Ich half ihm auf und nahm seinen Arm, um ihn an den Chassidim vorbeizuführen; einen Augenblick lang schien Barry sie eingehend zu studieren, als wollte er die Melodie ihrer Sprache ergründen. Ich drängte ihn sanft, aber entschlossen weiter, und gemeinsam bahnten wir uns einen Weg durch das Gewühl und über die Straße.
    Im Auto kauerte sich Barry auf den Rücksitz, und augenblicklich war die Luft von Rauch und Verzweiflung erfüllt. Er saß schweigend da, und auch ich sagte beim Fahren kein Wort. Als wir in meinem Büro ankamen, setzte er sich auf dem roten Sofa auf seinen angestammten Platz und umarmte sein Kissen. Ich sah ihn an wie zum allerersten Mal.

16
    J e verlorener ein Mensch ist, desto weniger Zeit bleibt einem Therapeuten, sich seiner anzunehmen. Das lernte ich während meiner Zeit im Larsen P. Clark Mental Hospital, wo ich ein Jahr lang in der geschlossenen Abteilung für psychisch Kranke arbeitete. Wer wirklich leidet, hat für umständliches Geräusper und höfliche Andeutungen keine Verwendung. Die einzig mögliche Sprache ist die unverblümte. Die direkte Frage, und im Verbund mit ihr das Aufrütteln des Patienten und das Fokussieren seiner Aufmerksamkeit zeigen auch, dass der Therapeut fähig ist, mit der bitteren Wahrheit umzugehen, die die Antwort mit Sicherheit zutage fördern wird. Alles andere ist ein Zeichen von Schwäche, und der wirklich Kranke hat weder Zeit noch Geduld für die Schwächen seines Therapeuten. Er ist bereits von seiner eigenen Schwäche umzingelt.
    Je kränker ein Patient ist, desto weniger reagiert er auf Abstraktion. Analogien und Metaphern, für ein gesundes Gehirn bestens geeignet, werden im Gehirn des psychotischen Patienten zu Hindernissen, darauf wies mich der alte Helprin immer wieder hin. Zu einem Schizophrenen sollte man sagen: »Stehen Sie auf und gehen Sie in Ihr Zimmer«, und nicht: »Reißen Sie sich zusammen«, denn das bedeutet für ihn ein bedrohliches, zusammenhangloses Chaos. Die Unfähigkeit, verschiedene Sprachebenen zu unterscheiden, ist ein Hinweis auf eine kranke Psyche. Aus diesem Grund sollte man einen Schizophrenen niemals fragen: » Wie geht es Ihnen?«, sondern vielmehr: »Hören Sie Stimmen?« Und diese Frage stellte ich schließlich Barry Long.
    » Ja « , murmelte er.
    » Schon lange, nicht wahr? «
    » Ja. «
    » Seit wann? «
    » Seit meiner Jugend. «
    » Und diese Stimmen, kommen sie aus Ihrem Innern oder von außen? «
    » Von außen. «
    » Sind es Ihre Stimmen oder

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