Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
Vom Netzwerk:
die von jemand anders? «
    » Nicht meine. «
    » Davon haben Sie mir nichts erzählt. «
    » Es tut mir leid … ich hatte Angst. «
    » Wovor? «
    » Dass Sie mich ins Krankenhaus schicken, wenn ich es Ihnen erzähle. «
    » Niemand kann Sie zwingen, ins Krankenhaus zu gehen. «
    » Es tut mir leid. Ich hatte Angst. «
    » Und was sagen sie, diese Stimmen? «
    » Wollen Sie das wirklich wissen? «
    » Ja. Um Ihnen zu helfen, muss ich wissen, was in Ihnen vorgeht. «
    » Wirklich? «
    » Ja. «
    Er beugte sich vor: » Dreck Dreck Dreck Dreck Dreck Dreck Dreck Dreck Dreck stirb stirb schon stirb stirb Dreck Dreck verrotteter verrotteter stinkender Dreck Tod Tod Tod Tod stirb stirb stirb verrotte verrotte du stirbst stirb Dreck Leiche Gestank Tod haa haa bring es jetzt zu Ende tu es tu es Schmutz stirb Tod töte stirb stirb verrotte stirb Abschaum Schmutz Leiche haaa … «
    Sein Gesicht war rot angelaufen. Er ließ sich auf dem Sofa erschöpft nach hinten fallen.
    Schweigen.
    » Das sind nicht die Symptome einer Depression « , sagte ich schließlich. » Sie leiden an Schizophrenie. Diese Stimmen sind Symptome. Es sind die Stimmen der Krankheit. Sie sind nicht real. Sie sind kein Dreck, und Sie werden nicht sterben. Aber Sie sind ein Mann voller Schmerz. Sie sind krank, und Sie werden wieder gesund. «
    Ich sagte das, obwohl ich es ihm nicht wirklich versprechen konnte. Eigentlich konnte ich ihm überhaupt nichts versprechen. Wir können in meinem Beruf sehr wenig versprechen, und schizophrenen Patienten können wir von allen am wenigsten versprechen. Andererseits erinnerte John Savoia mich immer wieder daran, dass es Aufgabe unseres Berufes ist, einem Klienten, der die Hoffnung aufgegeben hat, neue Hoffnung zu schenken; und dann, wenn er wieder zu Kräften kommt und seine Hoffnung wiedererlangt, ist es unsere Aufgabe, ihn auf die Hindernisse hinzuweisen, die noch vor ihm liegen.
    Barry Long sah mich mit leerem Blick an. Ich erinnerte mich an etwas, das der alte Helprin immer wieder betont hatte: Depressiven Patienten ist die Diagnose besonders wichtig. Sie erkundigen sich interessiert nach den Unterschieden zwischen einer einfachen Depression und Bipolarität, zwischen einer Dysthymie und einer Cyclothymie. Schizophrenen Patienten dagegen ist die Diagnose völlig gleichgültig. Die Worte zur Beschreibung ihrer Krankheit sind für sie ohne jede Bedeutung, denn die Krankheit hat ihre Fähigkeit zerstört, die Bedeutung beschreibender Vokabeln zu verstehen. Diese ganze phantastische Architektur, die Magie der Elektrochemie, die es uns erlaubt, unsere ganze Erfahrung mithilfe weniger Töne darzustellen, ist in der Welt eines schizophrenen Menschen zusammengebrochen. Da ist nur noch Schrott übrig. Der Schizophrene hat das Werkzeug der Sprache verloren und ist aus der Welt der Bedeutung ausgeschlossen. Er steht nackt vor der Gesamtheit aller sensorischen Erfahrungen – und kann sie weder ergründen noch übersetzen, organisieren, behalten oder verstehen. Er kann sie nicht mitteilen oder danach handeln. Worte sind nichts als Asche und Staub, Chaos und Dunkelheit und ein entsetzlicher Strudel. » Für uns, Jingele, sind Worte Gott, sind Worte Glauben; sie schaffen, vermitteln und erhalten Wirklichkeit und Bedeutung. Schizophrene haben weder Worte noch Glauben. Weder Wirklichkeit noch Bedeutung, was sie nicht daran hindert, in ihrem Kopf immer wieder die Stimme Gottes zu hören.« Das sagte der alte Helprin, dann setzte er sein schiefes Lächeln auf und schlug sich merkwürdig begeistert mit der Hand auf den Schenkel.
    » Sehen Sie auch Dinge, die eigentlich gar nicht da sind? « , fragte ich Barry Long.
    » Ja, ich meine, äh, vielleicht … früher? «
    » Früher? «
    » Ah, ja. Ja. «
    » Was sahen Sie da? «
    » Vor Jahren … habe ich mit einem Indianer zusammengelebt. «
    » Sie haben mit einem Indianer zusammengelebt? «
    » Ja. «
    » In Ihrer Wohnung? «
    » Er wohnte auf meinem Sessel. «
    » Auf Ihrem Sessel? «
    » Ja. Er wohnte auf dem Sessel in meinem Zimmer im Haus meiner Mutter. «
    » Verstehen Sie heute, dass es sich dabei um eine Halluzination handelte? Um ein Symptom Ihres Zustands? «
    » Ich weiß es nicht. Ich habe ihn gesehen. Er saß immer auf diesem Sessel. «
    » Haben auch andere ihn gesehen? «
    » Ich weiß es nicht. Eigentlich habe ich niemandem von ihm erzählt. Ich hatte in meinem Zimmer nur selten Besuch. Nur Randi Gail, mein Nachbar, hat einmal gesagt, er sähe ihn auch. «
    » Erzählen

Weitere Kostenlose Bücher