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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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sind all die weißen Pferde? Wo sind all die weißen Pferde? « Dann begann er, mit der Faust auf den Tisch zu hämmern. Ich rannte hinaus und rief zwei Krankenpfleger, um ihn in sein Zimmer zurückbringen zu lassen.
    Später nahm mich Bailey-Holtz beiseite und sagte: » Vielleicht sollten Sie sich Dr. Helprins Team anschließen. Er leitet mehrere interessante Projekte, ohne Gruppensitzungen. Es ist wichtig, dass Sie auch mit der Einzeltherapie-Arbeit Erfahrungen sammeln. Vielleicht ist es besser, damit anzufangen. «

18
    D r. Helprin gefiel mir auf Anhieb. Vielleicht, weil es ihm fernlag, mir – oder auch irgendjemand sonst – gefallen zu wollen, und darin erinnerte er mich an meinen Vater. Nach dem ersten Therapiegespräch, das ich unter seiner Aufsicht führte – in dem ich vergebens versuchte, das Interesse eines katatonen Schizophrenen zu gewinnen, der mitten im Gespräch aufstand, die Haltung eines buckligen Wasserträgers einnahm und beharrlich schwieg –, rief Helprin mich in sein Büro, legte seine sandalenbewehrten Füße auf den Schreibtisch und sagte: » Möchten Sie eine ehrliche Rückmeldung oder diesen ›engagierter Zuhörer-Scheiß‹, den sie euch in dem, was sich nicht ganz zutreffend ›Hauptstudium‹ nennt, so vorsetzen? «
    » Ich nehme die ehrliche Rückmeldung « , sagte ich ergeben.
    » Nun gut. Die gute Nachricht ist, dass ich nicht glaube, dass Sie dem Patienten bleibenden Schaden zugefügt haben « , sagte er.
    » Also ganz gut für den Anfang « , sagte ich. Hinter seinem schroffen Verhalten nahm ich noch etwas anderes wahr – eine versteckte Wärme und in seinen Augen einen traurigen, boshaften Schimmer. Ich hatte keine Angst vor ihm.
    Nach einem kurzen Schweigen fragte ich: » Und was ist dann die schlechte Nachricht? «
    » Sie haben es nicht in sich. «
    » Ich habe es nicht in mir. Was habe ich nicht in mir? «
    » Es. Haben Sie Kinder? «
    » Eins. Eine Tochter. «
    » Dann ist Ihnen im Hort oder im Kindergarten sicher schon aufgefallen, dass einige Erzieherinnen es haben und andere nicht. Bei derjenigen, die es hat, sind die Kinder fröhlich, zielgerichtet, neugierig und engagiert. Die Erzieherin, die es nicht hat – schimpft, schreit, bestraft, droht, verbreitet Chaos. Die Erzieherin mit dem gewissen Etwas, was zeichnet sie aus? Ist sie besser ausgebildet? Nicht unbedingt. Hat sie mehr Erfahrung? Nicht immer. Ist sie älter? Nein. Klüger? Eigentlich nicht. Es ist etwas anderes. Sie hat das gewisse Etwas. Wir können die Wirkung dieses gewissen Etwas zwar sehen, doch wir können es nicht messen. Und was wir nicht messen können, können wir auch nicht verändern. Deshalb kann ich Ihnen nicht helfen, es zu finden oder etwas zu ändern, ich kann nur sagen – Sie haben es nicht. «
    » Was hätte ich denn tun sollen? Der Patient ist in einen katatonen Stupor verfallen! «
    Helprin kratzte sich mit einem hölzernen Lineal energisch zwischen den Zehen. » Rogers hatte es « , sagte er schließlich.
    » Carl Rogers? «
    » Ja, ja. Ihr Humanist. «
    » Rogers hat in der Beratungsstelle einer Universität mit bestens funktionierenden Studenten gearbeitet. Wie können Sie das vergleichen? «
    » Ja. Er hat aber auch einige Zeit an einer psychiatrischen Klinik in Wisconsin verbracht und dort mit Schizophrenen gearbeitet, weil er zeigen wollte, dass sein klientenzentrierter Ansatz auch bei Schwerkranken funktionieren kann, nicht nur bei verwöhnten Mittelschichtsneurotikern. Er hat mit katatonen Patienten gearbeitet. Bei ihnen hat er die Technik des Rollentauschs angewendet. «
    » Des Rollentauschs? «
    » Ja, ja, sind Sie nicht noch zu jung, um schwerhörig zu sein? Empathischer Rollentausch, das bedeutet, in einem Gespräch beide Seiten einzunehmen – was Sie bei diesem Patienten soeben hätten tun sollen. In beiden Mannschaften spielen, wenn Sie so wollen. Sie sagen dem Patienten: ›Hallo, Sie müssen denken, ich sei hier, um Sie zu belästigen, aber tatsächlich bin ich hier, um Ihnen zu helfen. Vielleicht sagen Sie sich, der weiß doch gar nichts über mich, aber ich möchte unbedingt etwas über Sie erfahren. Vielleicht fühlen Sie sich von mir bedroht, aber ich bin überhaupt keine Bedrohung für Sie‹, und so weiter und so weiter … «
    » Sie möchten, dass ich im Beisein des Patienten einen Dialog mit mir selber führe? «
    » Was ich möchte, ist unwichtig. Dieser Rollentausch ist eine Möglichkeit, etwas zu tun. «
    » Und dann? «
    » Nun, Jingele, was würde

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