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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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bequeme Ausrede dienen konnte, als Freibrief für jede noch so seichte, noch so ausschweifende Lebensart. Alles wurde nicht bloß entschuldigt, sondern bekam eine geradezu höhere Bedeutung beigemessen, einen tieferen Sinn. Genau genommen ließen sichderart die sieben Todsünden rechtfertigen. Es war die Antithese zur katholischen Forderung nach menschlicher Makellosigkeit im Hier und Jetzt.
    Mit Sündenregistern und moralischer Erbsenzählerei sei dem Geheimnis Schöpfung nicht beizukommen, schien Buddha befunden zu haben, legte mit der Gelassenheit des Unerschütterlichen die Hände auf sein ausladendes Bäuchlein und befand
seelen ruhig
:
Was ein Menschenleben wert ist, siehst du an dessen zweiter Hälfte.
Und sollte selbst die zweite Lebenshälfte nicht ausreichen, wovon Buddha geflissentlich auszugehen schien, stünden zur Veränderung des Menschen dank Wiedergeburt ja zig weitere Leben zur Verfügung.
    Den Eindruck Dimschs, dass es bedenklich wenige Menschen zu geben schien, die wahrhaft Reife erlangt hatten, wusste ihm Marc Aurel zu relativieren, wies er doch, insgeheim womöglich an sich selbst denkend, darauf hin, dass es durchaus möglich sei, ein göttlicher Mensch zu werden und doch von niemandem, ja absolut niemandem als solcher erkannt zu werden.
    Dimsch legte eine Haardrehpause ein. Sein über der Stirn gedrechselter Schopf erinnerte an eine Mischung aus
Das letzte Einhorn
und
Leningrad Cowboys
.
    »Wann kommst du nach Hause?« Sophie war am Mobiltelefon. Im Hintergrund hörte er die beiden Kleinen kreischen. Er blickte auf die Uhr, hatte völlig die Zeit übersehen, wollte noch nicht weg und sagte: »Eine Stunde wird’s schon noch dauern.«
    »Okay«, kam enttäuscht als Antwort. »Aber bitte, Sebastian, versuche künftig ein bisschen früher heimzukommen.«
    Er hatte aufgelegt, und so gab es kein Kindergeplärre mehr, nur noch Ruhe. Ruhe und Epiktet, der geduldig dalag, in Taschenbuchformat, und auf ihn wartete. Dimsch nahm ihn zurHand und musste sich schon nach wenigen Zeilen die Frage gefallen lassen, wie in ihm denn das Glück einziehen solle, wo doch kein Platz sei vor lauter Egoismus.
    In seinem Büro verschanzt hatte er sich, hinter Buchdeckel war er geflohen vor seiner Familie, die ihm doch das größte Glück hätte sein sollen. Als sich Sophie und er für Kinder entschieden hatten, glaubte er, bereit zu sein und reif. Doch die Kleinen hatten ihn rasch gelehrt, wie unfertig er noch war. Letzte Antworten aufs Leben hatte Dimsch von der Vaterrolle erwartet, stattdessen Herausforderungen vor die Nase gesetzt bekommen, die ihn an den Start zurückzuwerfen schienen, obgleich er sich doch für so unglaublich souverän gehalten hatte und wahnsinnig schlau, vor kurzem noch. Schlafentzug, Erziehungsstreit, Überreizung, Kopfschmerzen und Ohrensausen vom Geraunze, Gejammer, Geschrei gaben ihm den Rest. Durchwachte Nächte, Zank und Zeter, kaum Zeit für sich, geschweige für die Partnerin. Das Liebesleben sowieso dahin. Sorgen, Kummer, Verzweiflung ob der fortwährenden Krankheiten; bebende Kinderherzen, heulende Engelchen, tränenreicher Augenstern.
    Die schönen Momente, freilich, es gab sie, doch die hinzugekommenen Prüfungen waren größer, zumindest an der Zahl.
    Wenn Dimsch sich suhlte in derlei Elend, kam er kopfschüttelnd stets mit demselben Ergebnis wieder herausgekrochen: Wie dumm es von ihm sei, schlicht schwere Stunden mit heilig schönen aufzuwiegen.

    Als Sebastian die Wohnungstür aufschloss, kam ihm Sophie überrascht und gut gelaunt entgegen.
    »Du konntest doch früher weg!«
    Dimsch ging in die Hocke und breitete die Arme aus. Seine beiden Kleinen kamen freudejauchzend gelaufen.
    Und erst wunderbare Ewigkeiten später – es waren zumindest zwei Minuten – kreischten, stritten, wüteten die beiden wieder. Ohrenbetäubend und nervenzerfetzend.
    Sophie schien das Gemetzel nicht sonderlich zu irritieren. Mit einer gelassenen Heiterkeit, deren Beweggrund Dimsch gänzlich verborgen blieb, beobachtete sie das Treiben. Dimsch schien, als habe seine Frau beschlossen, solange nicht einzugreifen, als kein Verlust wichtiger Gliedmaßen zu befürchten stand oder die restlose Verwüstung des Interieurs. Er bewunderte seine Frau zutiefst für ihre Ruhe, gleichzeitig machte sie ihn rasend. Denn er sah sich genötigt, Sophies Engelsgeduld, die damit einherging, den Kindern beinahe alles durchgehen zu lassen, als Vater zu kompensieren – wodurch er gegenüber den Kleinen strenger sein musste,

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