Der Gluecksmacher
als es ihm lieb war. Aber irgendjemand, Herrgott Sakrament, musste es doch übernehmen, den Monstern Benehmen beizubringen. Andernfalls gäbe es für sie irgendwann einmal ein böses Erwachen, schließlich kann man im Leben nicht immer alles haben, das Leben ist kein Honiglecken, wo kein Fleiß, da kein Preis, zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen, zu viel Süßes verdirbt den Magen, gegessen wird, was auf den Tisch kommt, Übermut tut selten gut.
Den Kindern alles durchgehen zu lassen würde sie doch gewiss lebensfremd machen, zu Außenseitern, nicht willig, sich ein- oder gar unterzuordnen, untauglich für das gesellschaftliche Leben. Im schlimmsten Fall, als liebender Vater musste Dimsch es verhindern, erginge es ihnen … wie ihm!
Wenn Sophie ihren Kindern beim Spielen und Toben zusah, beim kreischend durch die Wohnung Jagen, beim überdreht Verrücktheiten machen, durchrieselte sie eine Wonne, die sie an ihre eigenen Kindheitstage erinnerte. Und wenn sie knappdavor stand, einzugreifen, weil die beiden es übertrieben, dachte sie daran, wie vergänglich dieses Glück doch war. Nicht mehr lange, und sie würde nachts keine Kinderfersen mehr ins Gesicht gerammt bekommen, müsste morgens keine Erdbeermarmelade mehr von ihrer weißen Bluse wischen und auch keine Vorhänge aufs Neue aufhängen, nachdem sie in blindem Freudentaumel zu Boden gerissen worden waren, um nach kurzem Schrecken eine höhere Bestimmung zu finden, als phantastischer Feenschleier und fliegender Heldenumhang.
Niemals zuvor hatte sich ihr Leben so sinnerfüllt angefühlt wie jetzt mit den Kindern. Mutter sein war anstrengend, gewiss, aber es war so unglaublich bereichernd. Wie oberflächlich vergleichsweise ihr Job gewesen war, als Pressesprecherin der Justizministerin. Sophie Dimsch atmete seufzend durch und nahm einen Schluck Kaffee. Eben war im Zimmer nebenan etwas zu Bruch gegangen. Irgendeine Nebensächlichkeit.
Für Sophie gab es freilich einen weiteren Grund, die Launen der Kleinen zu tolerieren: ihren Mann. Sebastian war viel zu streng mit den Kindern. Als Mutter musste sie das doch ausgleichen.
11
Cäsarenhaft war der Ausdruck in Rainer Torbergs Gesicht, als er durch das Großraumbüro schritt. Seine Brust schmückte nicht ein silbern glänzender Schild, sondern der Karriereteil einer Wochenzeitung, den er gerade so im angewinkelten Arm vor sich her trug, dass niemand das Foto von ihm und der Chefin auf dem Cover übersehen konnte.
»Gratuliere«, raunte Irene Großburg, als Torberg in ihr Büro einmarschierte, sich Luft zufächernd mit dem Blatt. Sie griffdanach, doch er zog es zurück, zwinkerte. »Setz dich, ich lese es dir vor.« Er beugte sich über den Artikel, rieb seine Finger aneinander, gleich einem Gourmet, der sich anschickt, die feinsten Häppchen herauszupicken. Zuerst erfreute er sich am Titel, schmeckte genießerisch daran: »Die Alpha-Frau mit Herz.«
Großburgs Pupillen hatten sich geweitet, Zeichen ihrer Freude.
»In der Secur AG herrscht Aufbruchstimmung und prickelnde Frische«, rezitierte Torberg. »Ohne Ausnahme zeigten sich alle von der Redaktion spontan und anonym befragten Mitarbeiter hoch motiviert und lobten die familiäre Atmosphäre unter der Chefin mit Herz und Verstand.«
»Welche unserer Leute hat der Journalist befragt? Ich muss ihnen unbedingt eine kleine Anerkennung zukommen lassen.«
Torberg lächelte sein Siegerlächeln. »Schon geschehen, Irene. Und zwar
vor
dem Zusammentreffen mit dem Schreiberling.«
Ihre Anerkennung war spontan, zeigte sich in Form blanken Erstaunens.
Torberg berührte sein Haar. »Du hast schließlich nicht irgendwen als PR-Chef. Aber hör zu, es wird noch besser: ›In der Versicherung herrscht nicht nur ein freundschaftlicher Umgangston – von der Chefin über die Abteilungsleiter bis zur einfachen Sachbearbeiterin sind alle Mitarbeiter per du.‹ Und jetzt kommt ein Zitat von dir, Irene.« Torberg holte Luft, um ausreichend Atem zu haben fürs große Finale: »Die Firma ist für uns alle hier, für mich und alle meine Mitarbeiter, wie eine große, innige Familie. Diese positive, inspirierende Emotion spüren auch unsere Kunden. Das ist das eigentliche Geheimnis unseres Erfolgs.«
Großburgs Lippen waren leicht geöffnet. Ehrliche Rührungstand in ihren Augen. Sie schluckte, nickte ihrem PR-Mann zu. »Gratuliere, Rainer! Genial, wirklich genial!«
»Gratuliere nicht mir, Irene. Wir haben das gemeinsam gemacht.« Er bedachte sie mit einem beinahe zärtlichen
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