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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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unglaublich aufgeschlossen und professionell.«
    Eva Fischer blickte über den Rand ihrer Brille. »Durchaus. Aber ich meinte Ihren Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Auftrag kam direkt von ihm, von Herrn Großburg.«
    »Ach so, interessant, aha.« Dimsch nickte.
    »Und was machen Sie in der Versicherung?«
    Dimsch fiel es nicht gleich ein. »Statistiken und Umfragen«, sagte er dann, etwas zu hastig, als seine Erinnerung ihm die richtige Antwort eingab. »Ja, Statistiken und Umfragen«, wiederholte er, als wäre er selbst überrascht und müsste sich seines Aufgabengebietes noch einmal vergewissern.
    »Dann sind wir ja Kollegen.« Eva Fischer lachte.
    Das wäre jetzt genau der richtige Moment, dachte Dimsch. Er erwog seit Minuten, ihr das
Du
anzubieten. Es ging nur noch um den richtigen Zeitpunkt und um eine sympathische, möglichst locker wirkende Formulierung. Dimsch konzentriertesich auf den Satz, den er gleich sagen wollte.
Wenn Sie möchten, können wir per du sein, schließlich sind wir Büronachbarn und Kollegen
. So könnte er es sagen. Oder einfach:
Möchten Sie per du sein?,
ohne das mit den Büronachbarn. Ja, das wäre okay, fand er, doch nun war zu viel Zeit verstrichen und der richtige Moment verpasst.
    »Wie kamen Sie zu dem Auftrag unserer Versicherung?«, erkundigte sich Dimsch. Er wollte sich eine Verschnaufpause verschaffen. »Und wieso sind Sie mit Ihrem Unternehmen ausgerechnet hier in dieses Gebäude eingezogen?« Das war gut, dachte er, gleich noch eine zweite Frage hinten nach, so würde sie länger reden und er mehr Zeit haben, im geeigneten Moment mit dem Du-Antrag einzuhaken.
    Eva Fischer erzählte, ihr Vater sei ein guter Freund von Herrn Großburg und dass sie dank dieser Verbindung sowohl zum Auftrag als auch zu den Büroräumlichkeiten gekommen sei. »Ehrlich gesagt«, kurz überlegte sie, das Angefangene auszusprechen, doch nun war es zu spät, »ehrlich gesagt bin ich noch nicht sonderlich lange selbständig.«
    Know-yourself-Services
habe sie erst vor einem Jahr gegründet. Aber dank ihres Vaters habe sie das volle Vertrauen von Herrn Großburg. Er habe ihr auch jede nötige Unterstützung zugesagt, was enorm wichtig sei bei derartigen Erhebungen, schließlich gehe es dabei auch immer um unangenehme Wahrheiten, hochsensible Themen. Bei ihrem letzten Auftrag habe ihr Abschlussbericht fundamentale Umstrukturierungen im betroffenen Unternehmen und auch personelle Konsequenzen zur Folge gehabt.
    Eva Fischer hielt kurz inne, um einen neuen Gedanken zu formulieren, griff an ihre Hornbrille. Da räusperte sich Dimsch. »Wollen wir per du sein?«

14
    Eva Fischer saß in ihrem Büro, biss auf ihre Unterlippe und ärgerte sich. Warum hatte sie so viel geplappert, warum so viel preisgegeben? Schon während des Redens hatte sie es bemerkt und sich dennoch nicht bremsen können. Stattdessen hatte sie, wie zur Kompensation ihrer kindlich naiven Redseligkeit, eine wichtige Miene aufgesetzt, die selbstbewusste Geschäftsfrau gespielt. Ihr Äußeres war das Einzige gewesen, das sie ihrem Inneren entgegenzusetzen vermocht hatte, ihrem spontanen Wunsch, auf diesen Sebastian Dimsch sympathisch zu wirken. Und was hab ich damit erreicht? Sie starrte an die Wand ihres frisch gestrichenen Büros. Sicher hat er mein vertrauensvolles Geplapper angeberisch empfunden. »Meine Berichte haben zu fundamentalen Umstrukturierungen geführt«, äffte sie sich nach, »und auch zu personellen Konsequenzen.« Eva schnitt eine Grimasse. »Arrogante Tussi!«
    Sie wandte sich zur Seite und sah im blank geputzten Fensterglas ihr Spiegelbild. Wütend nahm sie die dunkle Hornbrille ab. Gekauft hatte sie das Ding, weil es ihrem mädchenhaften Gesicht, wie sie fand, etwas Seriöses, etwas Respekteinflößendes gab. Eva stützte den Ellenbogen auf den Schreibtisch und ließ die Wange in die Hand sinken. Sie versuchte, sich im spiegelnden Fensterglas zu erforschen, in ihren Augen zu erkennen, wie es ihr ging und wer sie eigentlich war. Je tiefer sie blickte, desto wohler fühlte sie sich. Warm war es, dieses Gefühl, wohlig. Als sie es sich eingestand, war es ihr peinlich. »Selbstverliebte Tussi.« Eva sah sich schmunzeln über sich, ihre Lippen öffneten sich zu einem Lachen, und in diesem Moment verlor ihr Antlitz im Fensterglas an Schärfe. Die Konturen verschwammen, und sie bemerkte, dass dahinter etwas anderes war. Ein dunkler, großer Vogelsaß im Geäst des nahen Baumes, schien sie beobachtet zu haben, hob nun die Schwingen

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