Der goldene Buddha
verteidigt werden. Die andere Route führte über schneebedeckte Gipfel. Es war, als müsse man zwischen einer Wurzelbehandlung und der Entfernung eines eingewachsenen Zehennagels wählen.
»Es hat keinerlei neue Anweisungen gegeben«, sagte der Adjutant. »Wir wissen immer noch nicht, ob es sich hierbei bloß um eine Übung handelt.«
»Es ist nur so ein Gefühl«, sagte der General, »aber ich glaube, wir werden wie Hannibal die Berge überqueren.«
Der Adjutant nickte. Jeder gute Offizier, den er kannte, besaß ein ausgeprägtes Geschichtsempfinden. Er hoffte nur, dass der General sich irrte – der Gedanke an eine militärische Konfrontation mit den Chinesen war trotz aller aufgebotenen Feuerkraft keine angenehme Vorstellung.
In Peking legte General Tudeng Quing dem Präsidenten eine mögliche Lösung dar.
»Wir könnten zweitausend Mann in Lhasa konzentrieren und den Rest unserer Truppen von Tibet nach Urumchi in die Provinz Xinjiang verlegen. Dort könnten sie ab morgen in Stellung gehen.«
»Wie viele?«, fragte Hu.
»Ungefähr tausend per Flugzeug in den nächsten paar Stunden«, sagte Tudeng. »Die Panzer und Transporter hätten eine knapp anderthalbtausend Kilometer lange Reise vor sich.
Wenn man die Tankstopps mit einrechnet, ergibt sich eine Höchstgeschwindigkeit von fünfundsechzig Kilometern pro Stunde. Sie könnten morgen um diese Zeit vor Ort sein.«
»Haben wir denn keine Truppen in der Nähe stationiert?«, fragte Hu.
»Soldaten sind nicht das Problem; wir können sie per Luftbrücke von überallher einfliegen«, erklärte Tudeng. »Aber wir brauchen Panzer – und die nächstgelegene Panzerdivision außerhalb Tibets ist nicht nur fast doppelt so weit weg, sondern müsste auch schwierigeres Gelände durchqueren. Mein Stab geht von mindestens drei oder vier Tagen aus.«
Hu lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte an die Decke. Dann wandte er sich an Legchog Raidi Zhuren, den Vorsitzenden der Autonomen Region Tibet, der bislang stumm geblieben war.
»Werden zweitausend Soldaten für Ihre Sicherheit ausreichen, bis wir Ihnen in vier oder fünf Tagen neue Panzer schicken können?«, fragte Hu.
»Herr Präsident«, sagte Legchog, »in Tibet herrscht seit Jahren Ruhe – und ich sehe keine Anzeichen für eine bevorstehende Änderung dieser Tatsache. Falls Sie gestatten, würde ich nun gern nach Lhasa zurückkehren.«
Hu wandte sich an General Tudeng. »Erteilen Sie die notwendigen Befehle.«
Dann wandte er sich an den chinesischen Botschafter in Russland. »Sie bringen in Erfahrung, was die Russen geplant haben«, sagte er laut. »Falls sie vorhaben, die Mongolei zu annektieren, richten Sie ihnen aus, dass wir das nicht zulassen werden. Die Mongolen haben uns schon einmal überfallen – ich werde ihnen nicht die Gelegenheit verschaffen, es erneut zu versuchen.«
Knapp zwei Stunden nach dem Treffen landeten die ersten chinesischen Transportmaschinen auf dem Flughafen von Lhasa und fingen an, Truppen nach Norden in die Provinz Xinjiang zu verlegen. Bei dem hastigen Bemühen, der russischen Bedrohung entgegenzutreten, musste die innere Struktur der chinesischen Armee in Tibet zwangsläufig leiden. Jungen Offizieren wurden unvollständige Bataillone anvertraut. Waffen und Munition gingen verloren. Die Erfüllung des Verteidigungsauftrags geriet in Gefahr.
Cabrillo schlief auf seinem Sitz in der Gulfstream, als sein abhörsicheres Telefon summte. Er war sofort hellwach.
»Was gibt’s?«, fragte er.
»Ich bin’s«, sagte Overholt. »Ich habe gute Neuigkeiten. Die NSA hat soeben den Direktor der CIA angerufen und er daraufhin mich. Der russische Bluff funktioniert. Es werden Truppen per Flugzeug von Lhasa nach Norden verlegt. Außerdem hat vor kurzem eine Panzerkolonne die Stadt verlassen und ist mit hohem Tempo davongerast. Alle sagen, es sieht bislang gut aus.«
Cabrillo schaute auf die Uhr. »Ich treffe in etwa einer Stunde ein. Ist alles für das Treffen bereit?«
»Wir warten nur noch auf dich«, erwiderte Overholt.
»Gut«, sagte Cabrillo. »Falls wir zu einer Einigung gelangen, fliege ich nach Norden weiter.«
»Meinst du wirklich, du kannst allen deine Idee verkaufen?«, fragte Overholt.
»Diese Mission ist wie eine Zwiebel«, sagte Cabrillo. »Immer wenn ich eine Schicht abziehe, kommt darunter die nächste zum Vorschein.«
»Und das ist noch nicht alles«, sagte Overholt. »Der Dalai-Lama hat einen neuen Plan.«
»Ich kann’s kaum erwarten«, erwiderte
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