Der goldene Buddha
eilten die Treppe hinauf und betraten das Dach. Dort gingen sie in Position. Aus seiner Tasche holte King eine kleine Sauerstoffflasche hervor und nahm ein paar tiefe Atemzüge. Als er sie dem Tibeter anbot, lehnte dieser lächelnd ab. Dann verschaffte King sich mit dem Zielfernrohr einen Überblick.
Die reich verzierte Fassade von Legchog Zhurens Haus wies nach Süden auf den Barkhor-Platz hinaus. Unmittelbar östlich davon lag der Jokhang, ein Tempel aus dem siebten Jahrhundert, der zu den am höchsten verehrten religiösen Bauwerken der Stadt zählte. Es gab dort Dutzende von Statuen, Goldschmiedearbeiten und ungefähr dreißig Kapellen.
King beobachtete, wie Reyes vor dem Jokhang vorbeiging, stehen blieb und eine Faust in die Luft reckte. Dann bogen er und die beiden Tibeter in eine Gasse zwischen dem Tempel und dem Haus des Vorsitzenden ein und verschwanden außer Sicht.
King drückte den Knopf einer versilberten Stoppuhr und wartete.
Nach fünfzehn Sekunden holte er ein ausgehöhltes Widderhorn aus der Tasche und reichte es seinem Begleiter.
»Wenn ich es sage, bläst du kräftig hinein«, befahl er ihm.
»Hör nicht auf, bevor ich es anordne, sonst sind wir tot.«
Der Mann nickte eifrig und nahm das Horn. King verpasste sich eine weitere Dosis Sauerstoff und sah auf die Stoppuhr.
Fünfundfünfzig Sekunden. Er blickte zu den Wachen, die auf dem Gehweg vor Legchogs Haus patrouillierten. Zwei befanden sich vor dem schmiedeeisernen Tor, zwei weitere saßen auf Stühlen direkt vor der Eingangstür. King überlegte sich, in welcher Reihenfolge er schießen würde.
»Jetzt«, sagte er laut.
Das Horn klang wie eine Katze, die in einen Staubsauger geriet.
Auf dem Platz tauchten wie aus dem Nichts vier Dutzend Dungkar-Krieger auf. Sie hatten sich als Händler und frühmorgendliche Spaziergänger getarnt oder sich in den Fässern verborgen, die vermeintlich Gewürze oder Saatgut enthielten.
Wild schreiend rannten sie auf das Tor von Legchogs Haus zu.
Auf der Veranda wurde einer der Wachposten durch das Horn und den Lärm der anstürmenden Meute aus dem Halbschlaf gerissen. Er stand auf und griff nach der Türklingel, aber bevor er Alarm geben konnte, ertönte ein lauter Knall. Mit ungläubig aufgerissenen Augen verfolgte er, wie sein Unterarm zu Boden fiel.
Dann schrie er, als das Blut in einer Fontäne aus dem Armstumpf hervorschoss.
Zur gleichen Zeit erreichten die Dungkar die Wachen vor dem Tor und schnitten ihnen die Kehlen durch. Die beiden Männer waren tot, bevor sie auch nur wussten, wie ihnen geschah.
Der verwundete Posten wirbelte herum und starrte den Dungkar fassungslos entgegen. Sein Partner wollte etwas sagen, doch ihm wurde der Kopf von den Schultern gerissen und prallte dumpf auf der Veranda auf. Die Lippen zuckten noch, konnten dem Nervenimpuls aber nicht mehr Folge leisten. Der erste Dungkar lief mit ausgestrecktem Schwert die Stufen hinauf. Der letzte Posten wollte seine Waffe ziehen, aber ohne Hand hatte er keine Chance.
Das Schwert fuhr mitten durch seinen Leib und nagelte ihn wie einen makabren Adventskranz an die Haustür. Kurz vor dem Tod formte er noch ein paar stumme Worte, doch es drang nur Blut aus seinem Mund. Die Wucht des Aufpralls sprengte das Türschloss. Die Tür schwang auf, und die Dungkar rannten hinein.
Hinter dem Haus ging es weniger gewalttätig zu. Der einzelne Posten an der Küchentür war eingeschlafen, und diese Pflichtverletzung rettete ihm das Leben. Reyes schlich sich an, verpasste ihm einen Elektroschock und ließ ihn dann von einem der Tibeter mit Klebeband knebeln und fesseln, bevor er irgendwie reagieren konnte. Dann öffnete Reyes mit einem Dietrich die Tür und ging hinein. Als das Horn ertönte, befanden er und die Tibeter sich schon halb auf der Treppe zum ersten Stock.
Dann sah Reyes die drei Männer.
Sie waren unbewaffnet und saßen auf der obersten Treppenstufe. Er griff nach seiner Automatikpistole, aber bevor er einen Schuss abgeben konnte, tauchte von hinten plötzlich der tibetische Hausdiener auf, warf den Männern einen Lederriemen über die Köpfe und zog zu. Ihre Köpfe schlugen gegeneinander, und ihre Beine strampelten, aber der Diener ließ nicht locker.
Reyes bedeutete einem seiner Männer, er solle behilflich sein, und lief weiter zu Legchogs Schlafzimmertür. Er hielt kurz inne und trat dann wuchtig gegen die Stelle dicht über dem Türgriff.
Die Tür sprang auf, und er ging hinein. Der Mann im Bett hob den Kopf und rieb sich die
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