Der goldene Buddha
Besatzungsmitglieder der
Oregon
warteten bereits, um den Kubanern auf die gut ausgestattete Krankenstation zu helfen.
Es war dreiundzwanzig Uhr drei.
Ein schmaler Mann mit vorzeitig ergrautem Haar erkannte in Cabrillo einen leitenden Offizier und ging mit wankendem Schritt auf ihn zu. »Señor, ich heiße Juan Tural. Würden Sie mir bitte verraten, wer Sie alle sind und weshalb Sie meine Freunde und mich aus Santa Ursula befreit haben?«
»Wir sind kommerzielle Dienstleister und wurden mit dieser Aktion beauftragt.«
»Von wem?«
»Von Ihren Freunden in den Vereinigten Staaten«, antwortete Cabrillo. »Das ist alles.«
»Demnach verfolgen Sie kein idealistisches Ziel, keine politische Absicht?«
Cabrillo deutete ein Lächeln an. »Wir verfolgen immer ein Ziel.«
Tural seufzte. »Ich hatte gehofft, dass eine etwaige Rettung aus anderen Motiven geschehen würde.«
»Ihre Freunde verfügen nicht über die notwendigen Hilfsmittel. So einfach ist das. Daher sind sie zu uns gekommen.«
»Ich finde es sehr schade, dass Sie allein aus finanziellen Gründen tätig geworden sind.«
»So verhält es sich nicht. Geld ist bloß ein Vehikel«, sagte Cabrillo. »Es gestattet uns, bei der Annahme unserer Aufträge wählerisch zu sein und unsere Wohltätigkeitsprojekte zu finanzieren. Als wir alle noch in den Diensten unserer jeweiligen Regierungen standen, konnte sich keiner von uns diese Freiheit leisten.« Er sah auf seinen Chronographen. »Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Wir sind noch nicht ganz außer Gefahr.«
Er drehte sich um und ging. Tural starrte ihm hinterher.
Dreiundzwanzig Uhr siebzehn. Falls sie es noch schaffen wollten, dann jetzt, dachte Cabrillo. Inzwischen war die Ursache des Alarms mit Sicherheit bekannt geworden, und Patrouillen durchsuchten Stadt und Umland nach den Häftlingen und ihren Befreiern. Sie konnten dabei höchstens auf den Lastwagenfahrer stoßen, doch der verfügte über keine verwertbaren Informationen, sogar falls man ihn folterte. Sein Kontaktmann hatte die
Oregon
nicht erwähnt. Der Fahrer glaubte, das Rettungsteam sei in einem anderen Teil der Insel an Land gegangen.
Cabrillo nahm einen Telefonhörer und wählte die Nummer des Direktors der Corporation unten im Maschinenraum. »Max?«
Hanley meldete sich fast sofort. »Juan?«
»Wurden die Ballasttanks leer gepumpt?«
»Die Tanks sind leer, und der Rumpf liegt zwecks höherer Geschwindigkeit nun flach im Wasser.«
»Die Gezeiten werden gleich wechseln und uns herumdrehen.
Wir sollten lieber aufbrechen, solange unser Bug noch auf die Hafenausfahrt weist. Sobald der Anker gelichtet ist, gehe ich auf langsame Fahrt voraus. Falls uns zufällig jemand beobachtet, möchte ich keine unnötige Aufmerksamkeit durch einen überstürzten Aufbruch erregen. Ich gehe auf volle Fahrt voraus, sobald wir die Fahrrinne erreichen oder Alarm ausgelöst wird – je nachdem, was zuerst geschieht. Dann benötigen wir jede einzelne Pferdestärke, die deine Maschinen hergeben.«
»Du glaubst also, du kannst uns mitten in der Nacht mit Höchstgeschwindigkeit und ohne Lotsen durch einen engen Kanal manövrieren?«
»Der Schiffscomputer hat bei der Einfahrt jeden Zentimeter vermessen und alle Markierungsbojen registriert. Unser Fluchtkurs wurde vorausberechnet und in den Autopiloten einprogrammiert. Wir überlassen es Otis, uns herauszubringen.«
Die Besatzung hatte das automatische Kontrollsystem des Schiffes »Otis« getauft. Es konnte die
Oregon
nahezu zentimetergenau auf Kurs halten.
»Computer hin oder her, es dürfte nicht einfach sein, mit sechzig Knoten durch einen schmalen Kanal zu rasen.«
»Aber es ist zu schaffen.« Cabrillo unterbrach die Verbindung und wählte eine andere Nummer. »Mark, wie steht’s um unsere Verteidigungssysteme?«
»Falls einer dieser kubanischen Raketenwerfer auch nur einen Mucks von sich gibt, ist er auch schon hinüber«, meldete sich Mark Murphy, der texanische Waffenexperte der
Oregon,
mit seiner charakteristisch gedehnten Aussprache.
»Auf offener See musst du mit Flugzeugen rechnen.«
»Ist kein größeres Problem.«
Cabrillo funkte Linda Ross an. »Linda?«
»Alle Systeme online«, entgegnete sie gelassen.
Beruhigt legte Cabrillo den Hörer auf, zündete sich eine dünne kubanische Zigarre an und ließ den Blick über die Besatzung des Schiffs im Kontrollraum schweifen. Alle starrten ihn erwartungsvoll an.
»Tja«, sagte er langsam und atmete tief durch. »Ich schätze, wir sollten uns auf den
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