Der goldene Buddha
wortlos und angespannt. Der Sekundenzeiger schien unendlich langsam voranzuschleichen. Endlich meldete Murphy sich mit ausdrucksloser Stimme zu Wort: »Flugkörper hat die Ziele in zweihundert Metern Abstand passiert.«
»Haben sie’s begriffen?«, fragte Cabrillo und klang dabei ein wenig besorgt.
Die Antwort ließ eine Weile auf sich warten.
»Sie drehen ab«, berichtete Murphy dann zufrieden. »Diese beiden Kubaner können sich heute wirklich glücklich schätzen.«
»Sie waren schlau genug, ihre aussichtslose Lage zu erkennen.«
»Allerdings«, pflichtete Linda ihm mit breitem Lächeln bei.
»Ein Tag ohne Blutvergießen«, stellte Cabrillo mit hörbarer Erleichterung fest und beugte sich zum Computermikrofon.
»Auf Reisegeschwindigkeit gehen.«
Die Geheimoperation war fast vorbei, der Vertrag erfüllt. Die Besatzungsmitglieder der
Oregon
wussten, dass Glück dabei praktisch keine Rolle gespielt hatte. Der Erfolg basierte auf ihren Fachkenntnissen, Geschick, Intelligenz und präziser Planung. Nun konnten sie sich alle ein wenig entspannen, abgesehen von dem Techniker, der die Kommandozentrale und die Navigationssysteme im Blick behielt. Manche von ihnen suchten ihre Unterkünfte auf, um sich etwas wohlverdienten Schlaf zu gönnen, andere trafen sich in der Messe des Schiffes, um eine Kleinigkeit zu essen und abzuschalten.
Cabrillo zog sich in seine mit Teakholz vertäfelte Kabine zurück und holte ein Paket aus dem Tresor, der unter dem Teppich in den Boden eingelassen war. Es handelte sich um ihren nächsten Vertrag. Cabrillo las das Material sorgfältig durch und machte sich dann erste Gedanken über ihr strategisches und taktisches Vorgehen.
Zweieinhalb Tage später lief die
Oregon
in den Hafen von San Juan auf Puerto Rico ein und setzte die kubanischen Exilanten ab.
Noch vor Tagesanbruch befanden sich das ungewöhnliche Schiff und seine bemerkenswerte Besatzung aus Anteilseignern wieder auf hoher See und setzten Kurs für ihren neuen Auftrag, in dessen Verlauf sie ein unbezahlbares Artefakt stehlen, einen geistlichen Führer wieder an die Macht bringen und eine Nation befreien würden. Doch als die
Oregon
den Hafen verließ, war Cabrillo nicht an Bord. Er flog nach Osten in die aufgehende Sonne.
2
Die Burgundy Falcon 2000EX startete um kurz nach sechs Uhr morgens in Heathrow und traf gegen halb zehn Schweizer Zeit in Genf ein. Bei einer Reisegeschwindigkeit von Mach 0,8 besaß der Jet eine Reichweite von knapp siebentausendfünfhundert Kilometern; er kostete vierundzwanzig Millionen Dollar. Sein einziger Passagier hieß Winston Spenser.
Am Flughafen erwartete ihn bereits ein Rolls-Royce mit Chauffeur und brachte ihn ins Hotel, wo er ohne jegliche Anmeldeformalitäten sogleich in seine Suite geführt wurde.
Dort machte Spenser sich zunächst einmal frisch. Als er vor dem Kristallspiegel stand, nahm er sein Abbild genauer in Augenschein. Spensers Nase war lang und aristokratisch, seine Augen hellblau und kühl, die Haut ein wenig zu blass. Weder seine Wangen noch sein Kinn waren sonderlich ausgeprägt. Um die Wahrheit zu sagen, er wirkte irgendwie schemenhaft, als mangele es ihm an Persönlichkeit. Sein Gesicht war nicht das eines geborenen Anführers, sondern das eines kostspieligen Lakaien.
Nachdem er seine Inspektion beendet hatte, verstaute er das teure Eau de Cologne wieder in dem Kulturbeutel Marke Burberry und verließ das Zimmer, um einen vormittäglichen Imbiss einzunehmen. Die Kunstauktion, wegen der er nach Genf gereist war, würde bald anfangen.
»Haben Mr. Spenser noch einen Wunsch?«, fragte der Kellner.
Spenser musterte kurz die Reste seiner Mahlzeit. »Nein, ich glaube, das ist alles«, sagte er.
Der Kellner nickte, räumte die Teller ab, nahm eine kleine Bürste aus seiner Schürze und fegte ein paar Krümel vom Tisch.
Dann zog er sich schweigend zurück. Es wurde weder eine Rechnung präsentiert noch wechselte Geld den Besitzer. Die Kosten für Frühstück und Trinkgeld würden auf der Zimmerrechnung erscheinen, die Spenser niemals zu Gesicht bekam.
In der gegenüberliegenden Ecke des Speisesaals saß Michael Talbot, ein Kunsthändler aus San Francisco, und beäugte Spenser. Sie waren sich schon öfter begegnet. Während des letzten Jahres hatte der langweilige Brite bei drei Gelegenheiten Talbots Kunden überboten; seine Auftraggeber verfügten anscheinend über unbegrenzte Mittel.
Talbot konnte nur hoffen, dass es heute anders ablaufen würde.
Spenser trug einen grauen
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