Der goldene Buddha
Umschweife.
»Ho hat eben mit einem Versicherungsgutachter telefoniert, der ins Haus kommen will, um den Buddha zu schätzen.«
»Verdammt«, sagte Cabrillo und griff nach dem Mikrofon.
»Max, komm bitte gleich in die Funkzentrale, es gibt ein Problem.«
Während der Funker den Anruf zurückverfolgte, lief Cabrillo ruhelos auf und ab.
Hanley traf nach wenigen Minuten ein. »Was ist los, Juan?«
»Ho lässt einen Versicherungsgutachter kommen, um den goldenen Buddha zu schätzen.«
»Wann?«, fragte Hanley.
»Morgen um sechzehn Uhr.«
Der Funker drückte eine Taste, und ein Drucker spuckte ein Blatt Papier aus.
»Von diesem Ort kam der Anruf«, erklärte er. »Ich habe ihn auf der Karte von Macau markiert.«
»Wir brauchen so schnell wie möglich einen Plan«, sagte Cabrillo.
Winston Spenser stand das Wasser bis zum Hals.
Seine Bank hatte ihm den Kreditrahmen nur erhöht, weil er ein langjähriger Kunde war, aber der Direktor hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass das Minus innerhalb von zweiundsiebzig Stunden ausgeglichen werden musste. Seine Kreditkarten waren bis zum Limit belastet, und in seinem Londoner Büro gingen die ersten besorgten Anrufe ein. Im Augenblick steckte Spenser in höchsten finanziellen Nöten. Sobald das Geschäft mit dem Milliardär gelaufen war, würde er so gut bei Kasse sein wie noch nie, aber momentan konnte er sich nicht mal ein Ticket für den Heimflug leisten.
Ihm blieb für den nächsten Tag nichts weiter zu tun, als den Buddha zu holen, ihn zum Flughafen zu transportieren und das Geld in Empfang zu nehmen. Dann würde er einen Jet chartern und mit seinem Vermögen in den Sonnenuntergang fliegen. Bis sein Kunde in Macau den Betrug bemerkte, wäre er längst weg.
14
Juan Cabrillo saß in seiner Kabine am Tisch und las die Unterlagen zum dritten Mal.
In neun Minuten würden die Zeiger der Uhr die Zwölf überschreiten, und es wäre offiziell Karfreitag. Stichtag. Wenn die Corporation einen Einsatz startete, benötigte sie neben aller Flexibilität auch stets eine gehörige Portion Glück. Der Schlüssel zum Erfolg lag in zwei Tatsachen begründet: Man musste durch gewissenhafte Vorbereitung dafür sorgen, dass es zu möglichst wenigen unangenehmen Überraschungen kam, und man sollte immer einen Ausweichplan bereithalten.
Das einzige echte Problem stellte diesmal das Zielobjekt dar.
Der goldene Buddha war kein Mikrochip, den man sich in die Tasche stecken oder in ein Kleidungsstück einnähen konnte. Es war ein mannshoher, schwerer Gegenstand, der sich nur umständlich transportieren und verstecken ließ. Wie man es auch anstellte, es würden Männer und Gerätschaften erforderlich sein.
Die Größe und das Gewicht des Buddha ließen ihnen keine andere Wahl.
Hinzu kamen die anderen Beteiligten. Der Kunsthändler Ho; die Gäste auf der Party; die chinesischen Behörden; und nun der Versicherungsgutachter. Jeder von ihnen konnte sich als Steinchen im Getriebe erweisen, und die Umstände ließen leider keinen Rückzug und neuerlichen Versuch zu.
Cabrillo hasste Operationen, bei denen sie alles auf eine Karte setzen mussten. Es konnte zu Festnahmen, Verletzten oder gar Toten kommen. Seit dem Einsatz in Hongkong, der ihn das Bein und einige andere das Leben gekostet hatte, hatte die Corporation keine Leute mehr verloren, nicht zuletzt weil Cabrillo hochriskanten Aufträgen bewusst aus dem Weg gegangen war. Der goldene Buddha hatte anfangs wie eine Routineaufgabe ausgesehen, doch je mehr Zeit verging, desto gefährlicher wurde es.
Das ist bloß Lampenfieber, dachte Cabrillo und klappte die Akte zu. Irgendwann heute Abend würde der Buddha sich in ihrem Besitz befinden und die Rückreise zum Dalai-Lama antreten. Noch ein paar Tage, und die Corporation würde aus dem Schneider sein, ihr Honorar erhalten und in einen anderen Teil der Welt aufbrechen.
Winston Spenser trank den Glenmorangie-Whisky als wäre es Ginger-Ale.
Sein brillanter Betrugsplan hatte unterwegs leider eine Fahrbahnschwelle erwischt und sich die Ölwanne abgerissen, und nun floss der ganze Mist auf die Straße. Ho hatte vorhin angerufen und ihm mit seinen Worten einen Eispickel ins Gehirn gejagt.
»Bitte kommen Sie früh zur Party«, hatte Ho gesagt. »Ich möchte, dass Sie hier sind, wenn der Mann von der Versicherung den Buddha untersucht.«
Nur
ein
Tag, und Spenser wäre über alle Berge gewesen.
In Uruguay, Paraguay, auf einer Insel im Südpazifik, überall, bloß nicht hier. Der falsche Buddha
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