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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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seiner angeborenen Stärke eingedenk, stand und schien in weilender Wut zu überlegen, welcher von beiden seinen mörderischen Zahn zuerst empfinden sollte.
    Tlepolem flog vorauf und schoß mit seinem Jagdspieße den Eber in den Rücken. Unterdessen richtete mein Thrasyll seine Lanze anstatt nach dem Keiler nach dem Pferde des Tlepolem und schneidet demselben die Hessen ab. Das Pferd sank sogleich, als es sich verwundet fühlte, mit dem Hinterteile nieder und warf wider Willen seinen Reiter ab. Wie dieser fiel, saß der Eber auf ihm und zerfetzte erstlich seine Kleider, als er aber aufstand, ihn selbst auf das jämmerlichste.
    Nun freute der Busenfreund sich der gelungenen Tücke und hütete sich wohl, sich von der großen Gefahr zum Mitleiden rühren zu lassen. Vielmehr, indem der arme Tlepolem in Todesangst sich vor den Wunden zu decken sucht und erbärmlich um Hilfe ihn anruft, rennt er ihm seinen Spieß durch die rechte Hüfte, damit er ja auf der Stelle bliebe. Er tat's mit aller Zuversicht, da er wußte, daß diese Wunde von den Hieben des Ebers nicht zu unterscheiden sein würde. Darauf nahm er es mit dem Schweine auf, und nachdem er es mit leichter Mühe erlegt, rief er uns allesamt aus unseren Schlupfwinkeln hervor und verkündigte uns den Tod unseres armen Herrn. In größter Bestürzung und Betrübnis liefen wir hinzu.
    Thrasyll, ungeachtet er sich in seinem Herzen freute, daß er glücklich den Mord vollbracht, den er sich angelobt, wußte dennoch seine Freude zu verstellen und eine ernste, betrübte Miene anzunehmen. Er warf sich auf die Leiche hin, die er selbst gemacht hatte, und umarmte sie brünstigst; unterließ nichts, was der erste heftige Schmerz zu tun pflegt. Nur weinen, das konnt' er nicht!
    Da er in seinem erdichteten Leide der Wahrheit des unsrigen so ganz gleichkam, so ließ sich niemand einfallen, ihn wegen des Mordes in Verdacht zu haben, und wir glaubten ihm auf sein Wort, daß der Eber unsern Herrn erschlagen habe.
    Kaum war dies Unglück geschehen, so trug das Gerücht auch schon die traurige Nachricht davon nach Tlepolems Wohnung, zu den Ohren seiner unglücklichen Gattin.
    Sobald diese die entsetzliche Nachricht vernommen, fährt sie halb sinnlos in wilder Hast auf, stürzt wie eine Rasende vollen Laufs durch die volkreichen Gassen, läuft querfeldein, laut schreiend über das Unglück ihres Mannes. Scharenweise und traurig strömen die Leute hinter ihr her; wer ihnen begegnet, gesellt sich und seinen Schmerz zu ihnen. Die ganze Stadt wird darüber leer.
    Bereits war man zum Orte gelangt, wo Tlepolems Leichnam lag. Mit scheidender Seele sank Charite auf denselben nieder und wollte da ihr Leben aufgeben, das sie ihrem Tlepolem ganz geweiht. Mit Not ward sie noch von den Ihrigen hinweggerissen und wider Willen beim Leben erhalten.
    Man nahm die Leiche auf und brachte sie im Geleite des ganzen Volkes nach dem Begräbnis.
    Da hättet Ihr den Thrasyll sehen sollen, wie überlaut er schrie, wie er sich zerschlug; die Tränen, die ihm bei Bezeugung der ersten Betrübnis versagt waren, die flossen ihm nun, vermutlich vor immer zunehmender Freude. Allerlei Namen der Liebe wurden von ihm verschwendet, die Wahrheit zu hintergehen; unter dem kläglichsten Leidwesen rief er beständig:
    ›O mein Tlepolem! mein Freund, mein Gespiele, mein Kamerad, mein Bruder!‹
    Ja, zuweilen fiel er Chariten in die Arme und hielt sie ab, sich den Busen zu zerschlagen; beschwor sie, ihre Trauer zu mäßigen und nicht so zu weinen, suchte durch liebreiches Zureden den Stachel des Schmerzes zu stumpfen und sie durch allerlei herbeigezogene Beispiele ähnlicher Zufälle zu trösten. Dabei vergaß er nicht, unterm Scheine der innigsten Teilnahme an ihrem Verluste das schöne Weib aufs vertraulichste zu liebkosen, und seiner häßlichen Leidenschaft durch diese ungebührliche Lust Nahrung zu geben.
    Allein nach vollbrachtem Leichenbegängnisse wünschte die junge Witwe nichts sehnlicher, als ihrem Manne recht bald nachzufolgen. Sie bedachte bei sich alle Mittel dazu und wählte endlich jenes sanfte, geruhige, das keines Gewehrs bedarf, sondern dem stillen Schlafe ähnlich ist: das Verhungern.
    Bleich, verfallen, sich gänzlich vernachlässigend, saß sie hin in tiefer Finsternis und hatte schon abgerechnet mit dem Leben. Doch Thrasyll ruhte nicht. Mit den dringendsten Bitten stürmt' er auf sie ein, lag unablässig durch ihre Freunde, durch ihre Eltern ihr an. Sie mußte nachgeben und ihren vor Mattigkeit,

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