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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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Junge! setze doch gleich dort in den Winkel den Korb bin, in den die Hühner legen!«
    Ungeachtet der Junge sofort den Befehl ins Werk richtete, so ging die Henne doch nicht auf das gewöhnliche Nest; sondern brachte dicht vor den Füßen ihres Herrn, zu seiner nicht geringen Bestürzung, eine zu frühzeitige Geburt hervor. Ihr denkt etwa ein Windei? – Nein! ein völliges, förmliches Küchlein, mit Flügeln, Füßen, Augen, das sogleich piepend hinter seiner Mutter herlief.
    Hierbei blieb's nicht. Noch ein weit größeres Wunder geschah, worüber jedermann mit allem Rechte in Schrecken geriet.
    Gerade unterm Tische, worauf noch die Überbleibsel der Mahlzeit standen, tat sich die Erde auf und sprang ein reicher Blutquell hervor, der die Tafel über und über bespritzte. Und in dem nämlichen Augenblick, da alle dornsteif vor Erstaunen dastanden und voller Furcht die göttliche Vorbedeutung anstaunten, kam jemand aus dem Weinkeller herbeigestürzt und meldete, daß aller Wein, den man vorlängst auf Fässer gezogen, darin nicht anders gäre und brause, als ob Feuer darunter wäre. Auch wurden zu derselbigen Zeit verschiedene Wiesel gesehen, die eine tote Schlange mit den Zähnen herumzerrten, und ein lebendiger Laubfrosch, der dem Schäferhunde aus dem Halse gesprungen kam, worauf der Widder, der daneben gestanden, über den Hund hergefallen sei und denselben mit einem Biß erwürgt habe.
    Herr und Gesinde waren über diese so vielerlei außerordentlichen Ereignisse ganz weg; sie wußten nicht, was sie zuerst oder zuletzt tun sollten, den Zorn der himmlischen Mächte zu besänftigen.
    Noch war alles in der ersten schrecklichen Erwartung irgendeines großen Unglücks, als ein Bedienter vollen Laufs ankam und dem Gutsherrn die Nachricht hinterbrachte, daß soeben alle seine Kinder jämmerlich ermordet worden wären. Der gute Mann hatte ihrer drei gehabt, schon erwachsene Söhne, die er mit solcher Sorgfalt unterrichtet und erzogen, daß sie ihm Freude und bei aller Welt die größte Ehre machten. Diese Jünglinge waren Herzensfreunde mit dem Inhaber eines kleinen Gütchens, an welches zum Unglück die schönen weitläufigen Besitzungen eines jungen reichen Edelmanns anstießen. Des Adels seiner Ahnen sich überhebend, hatte dieser Junker sich einen so großen Anhang in der Stadt gemacht, daß er tun konnte, was er wollte. Er griff also um sich wie ein Feind und plünderte anfangs die Armut seines ohnmächtigen Nachbars, erwürgte dessen Schafe, trieb die Ochsen weg und trat die Saat nieder, bevor sie reif war. Bald, so war er nicht mehr mit der Ernte zufrieden, er wollte auch das Land haben. Er zettelte einen Grenzprozeß an und nahm das Gut in Anspruch.
    Hatte bis dahin der arme Nachbar zu allem stillgeschwiegen, so konnte er doch nicht zugeben, daß man ihn gänzlich auszöge und von seinen väterlichen Grundstücken nicht so viel übrig ließe, wohin sein Haupt zu legen. Bei so bedrängten Umständen berief er alle seine Freunde zusammen, um Zeugen abzugeben bei Anzeigung seiner Grenze. Unter diesen waren nun vorzüglich jene drei Jünglinge, die ihres Freundes Unglück wie ihr eigenes empfanden.
    Der hochadlige Tollkopf ließ durch die Gegenwart so vieler Bürger sich weder furchtsam noch irre machen; nicht ein Haarbreit wollt' er von seinen Anmaßungen ablassen. Dabei mäßigte er sich nicht einmal in Worten. Als jene mit der äußersten Höflichkeit seine Ansprüche widerlegten und geflissentlichst sich in acht nahmen, sein Ungestüm auf keinerlei Weise zu reizen, fuhr er jählings auf und tat, seiner Gewohnheit nach, einen großen Schwur, bei seiner teuren Ahnen und seiner eigenen Seligkeit: »Er schere sich viel um alle die Hundsfötter von Mittelsmännern! Seine Leute sollten den Augenblick, ihnen zum Trotz, den ruppigen Nachbar bei den Ohren von dem Gute herunterwerfen!«
    Die schimpfliche Rede verdroß jedermann, und ganz frei versetzte darauf einer der Jünglinge: »Er solle nur auf seinen Reichtümern nicht zu sicher fußen und gar zu sehr den unumschränkten Tyrannen spielen! Noch gäb' es für die Armen bei den Gesetzen Schutz und Gerechtigkeit gegen den Übermut der Reichen«.
    Das hieß Öl ins Feuer gegossen! Schwefel in die Glut geworfen! die Furie gepeitscht!
    Der wilde Mensch schnappte über in seiner Wut. Er rief: »An den Galgen sollten sie alle mitsamt ihren Gesetzen gehen«! und gab Befehl, auf sie die Hirten und Bauernhunde zu hetzen; böse, große Bestien, die sich vom Aase auf dem Felde

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