Der goldene Greif
Tamantes. Er ve r neigte sich vor dem König und lächelte Scharin beruhigend zu, dem man se i ne Aufregung deutlich ansah. Während Tamantes sich erhob, setzte Raigo Argin auf dem Holm der inn e ren Absperrung ab und befahl ihm, auch während des Kampfes dort zu bleiben.
Nachdem der Herold Ruhe geboten hatte, begann Tamantes zu sprechen:
„Vernehmt nun alle, die ihr hier versammelt seid, meine Worte:
Nach Gesetz und Brauch hat Neskon, der Kämpfer aus dem Kreis der Vangoran M o radin, dem Prinzen Lardar von Ruwarad die Braut streitig gemacht. Da sich Coriane für keinen der beiden Bewerber entschieden hat, wird der Sieger aus dem nun fo l genden Zweikampf die Braut gewinnen.
Doch ich bestimme, daß beide - wenn sie den Kampf überleben - für zwei Jahre das Land Imaran zu verlassen haben. Auch der Sieger muß diese Frist verstreichen la s sen, ehe er die Braut sein Eigen nennen darf. Denn ihr alle wißt, daß das Gastrecht in Imaran heilig ist, und wer es verletzt, indem er eines Gastes Blut vergießt, muß die Strafe auf sich nehmen. So will es das Gesetz, und so verfüge ich es!
Und nun, wenn die Priester das Opfer vollzogen haben, soll der Kampf beginnen!“
Tamantes ließ sich wieder auf seinen Thronsessel nieder, und zwei weißgekleidete Priester traten vor, um nach seinem Geheiß den Göttern zu opfern. Jeder von ihnen trug eine Sch a le in den Händen, die sie nun auf dem vor der Tribüne aufgestellten Altar niedersetzten. Aus dem Feuerbecken, das ihnen von zwei Knaben nachgetragen worden war, entzünd e ten sie den Inhalt der Schalen.
Hell und ruhig begann das Feuer in der Schale zu brennen, die auf Raigos Seite stand, und die Flamme loderte hoch empor. Das andere, für Lardar bestimmte O p fer brannte schwach, mit schwarzen Qualmwolken durchsetzt, und verlosch nach kurzer Zeit.
Ein Raunen ging durch die Menge, und Lardar erbleichte sichtlich beim Anblick seiner O p ferschale.
Nun gab Tamantes das Zeichen zum Beginn. Schon wollte sich Raigo in die Mitte der Schranken begeben, als Lardar „Halt“ rief. Tamantes’ Brauen zogen sich z u sammen.
„Was gibt es, Prinz Lardar, daß Ihr den Kampf verzögert?“ fragte der König. „Wollt Ihr etwa davon abstehen?“
„Nein“, antwortete Lardar, „das will ich nicht. Aber ich verlange gerechte Bedingu n gen!“
„Und wieso glaubt Ihr, ungerecht behandelt zu werden?“ fragte Tamantes ungeha l ten, da er keinen Grund für Lardars Beschwerde sah.
„Mein Gegner kämpft mit einem Schwert, das mit Zauberkraft ausgestattet ist, wie wohl j e der hier schon gehört hat, und von dem es heißt, daß niemand ihm widerstehen kann. Ich dag e gen habe nur eine normale Waffe. Und dann verlange ich, daß der Adler vom Kamp f platz entfernt wird, denn er wird mich angreifen, sobald sich die Klingen kreuzen. Es ist b e kannt, daß er seinem Herrn stets beisteht.“
Da rief Raigo: „Ihr solltet besser zuhören, wenn die Barden ihre Lieder singen, La r dar! Dann wüßtet Ihr, daß mein Schwert nur vor Gefahren warnt, die im Verborgenen lauern. Anson s ten muß man es handhaben wie jede gewöhnliche Waffe. Doch wenn es Euch beruhigt, so soll man mir ein anderes bringen. Was jedoch den Vogel betrifft, so befahl ich ihm, sich nicht von seinem Platz fortzurühren, bis ich ihn wieder hole. Aber niemand dürfte jetzt w a gen, den Adler vom Kampfplatz entfernen zu wollen, wenn er nicht mit dessen Klauen und Schnabel B e kanntschaft machen möchte. Argin trennt sich nie von mir, wenn ich ihn Gefahr bin. Aber Ihr habt mein Wort, daß er Euch nicht angreifen wird. Seid Ihr nun befriedigt? Dann laßt uns en d lich beginnen, bevor es Nacht wird!“
Lardar gab sich zufrieden, und Scharin reichte Raigo sein eigenes Schwert. Ehrfürchtig nahm er dafür Handur aus Raigos Händen entgegen.
Nun standen sich die beiden Gegner gegenüber. Während Raigo ruhig abwartete, ritt La r dar sofort zum Angriff. Wild drang er auf Raigo ein, doch dieser wehrte die Hiebe mühelos ab. Der Prinz kämpfte sehr geschickt, und Raigos Gegenangriffe wurden abgelenkt oder glitten an Schild oder Brustpanzer ab. Immer wieder u m kreisten sich die Rivalen, nach einer Lücke in der Deckung des anderen spähend. Jeder Hieb, jeder Schlag wurde von der Menge mit Jo h len und Geschrei begleitet. Eine geraume Zeit schien keiner der Kämpfer einen Vorteil erri n gen zu können. Nach einem heftigen Schlag von Raigo schien Lardar jedoch im Sattel zu wanken. Raigo
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