Der goldene Greif
kränkte ihn, daß er nun mit Schmach beladen, ohne Braut nach Ruwarad zurückkehren mußte. Außerdem überfiel ihn die Angst vor seinem Vater, der ihn oft genug einen Versager genannt hatte. Daß sein Gegner ein berühmter Recke gewesen war, würde Konias kaum mi l der stimmen. Zuviel hatte dieser sich von der Verbindung mit Imaran versprochen. Aber La r dar kochte auch vor Wut, daß er überhaupt besiegt worden war.
Bei den Turnieren auf seines Vaters Schloß war er stets der Sieger gewesen, wobei er in seiner Eitelkeit blind war für die Tatsache, daß man ihn schon deshalb gewi n nen ließ, um nicht seinen Jähzorn und damit auch den Unmut seines Vaters herau s zufordern. Und nun hatte er sich vor all den Leuten erg e ben müssen!
Lardar hatte sich bereits geraume Zeit seinem Selbstmitleid hingegeben, als es leise an der Tür pochte.
„Ich habe gesagt, ich will nicht gestört werden!“ bellte Lardar. „Wer ist da, und was ist so wichtig, daß man meine Befehle mißachtet?“
„Hier ist Cart, Herr, einer Eurer Diener! Ich habe eine äußerst wichtige Nachricht für Euch!“ klang es gedämpft von draußen.
Knurrend stand Lardar auf und humpelte zur Tür. Als er den Diener einließ, fauchte er: „He r ein mit dir! Aber wehe, wenn deine Nachricht nicht wirklich wichtig ist!“
„Herr, was ich Euch zu sagen habe, ist von so großer Bedeutung, daß Ihr mich reich belo h nen werdet, wenn Ihr es hört“, buckelte der Diener mit schiefem Seitenblick auf Lardar.
„Rede schon, du Hundsfott! Sonst zahle ich dir die Belohnung mit der Peitsche aus!“ fuhr La r dar ihn an.
„Vorhin kam ich an den Gemächern von König Tamantes vorbei“, sprudelte der Mann he r aus. „Da hörte ich die erregten Stimmen des Königs und seines Sohnes. Und da sie mit e i nander zu streiten schienen, blieb ich stehen, um zu hören, wo r um es ging.“
„Du lauschst, Bursche?“ schrie Lardar und versetzte dem Diener einen Schlag, daß er zu Boden taume l te.
Abwehrend hob der Mann die Hand. „Hört erst einmal weiter, Herr, und dann tadelt mich, wenn Ihr noch der Meinung seid, daß es nicht in Eurem Sinn war, was ich tat.“
Lardar trat einen Schritt zurück. „Gut, sprich weiter, aber beeile dich!“ grollte er.
„Prinz Scharin machte seinem Vater Vorwürfe, daß er den Sieger des Kampfes für zwei Ja h re aus Imaran verbannen will, wo man ihn doch gerade erst wiedergefu n den habe. Doch der König antwortete ungehalten, daß das Gesetz auch für ihn gelte. Außerdem sei es das Be s te für die Sicherheit Eures Gegners.“
„Und?“ fuhr Lardar dazwischen. „Was ist für mich daran so wichtig?“
Der Mann zuckte zusammen und duckte sich erneut. „Sie nannten Euren Gegner bei N a men, Herr. Doch dieser Name war nicht Neskon. Sie nannten ihn - Raigo!“
„Was?“ Lardar ergriff den Diener bei den Schultern und schüttelte ihn. „Was hast du g e sagt? Raigo? Hast du dich nicht verhört?“
Ein boshaftes Funkeln trat in die Augen Carts. „Nein, Herr, denn meine Ohren sind gut. Sie nannten ihn Raigo, wie Euren verschollenen Vetter, den echten Thronerben von Ruwarad.“
Cart hatte sich wieder aufgerichtet, als er das tiefe Erschrecken in Lardars Gesicht sah. Nun zuckte ein hämisches Grinsen des Triumphs über sein verschlagenes G e sicht. Der Mann haßte Lardar, und es bereitete ihm eine bösartige Genugtuung, den Prinzen völlig verstört in seinen Sessel sinken zu sehen. Lauernd und abwartend stand er da und beobachtete sch a denfroh die Wirkung, die seine Worte auf den Prinzen hervorgebracht hatten.
Lardar hockte in seinem Sessel und stierte vor sich hin. Er schien die Anwesenheit Carts völlig vergessen zu haben. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken. Raigo! Nein, das konnte doch nicht sein! Raigo war doch tot, umgekommen in den Bergen, als der Vater ihn aus dem Land vertrieben hatte.
Aber niemand hatte je seine Leiche gefunden! Man hatte angenommen, Raigos Körper liege in dem tiefen Abgrund, wo man auf einem Felsvorsprung auch einen der Soldaten tot liegen gesehen hatte, die Raigo verfolgt hatten. Man hatte angenommen, Raigo sei bei se i nem Kampf mit ihnen ebenfalls in die Schlucht gestürzt.
Aber war ihm dieser Neskon nicht sofort bekannt vorgekommen? Vor Lardar stieg das G e sicht seines Gegners auf. Ja, diese Augen kannte er und auch dieses spött i sche Lächeln! Wie oft war er diesem Blick ausgewichen, wie oft hatte dieses Lächeln ihm
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