Der goldene Greif
setzte nach, doch Lardar hatte nur gefintet. Blitzschnell zuckte sein Schwert vor. Er traf Raigos linken Arm, und ein Aufstöhnen ging durch die Menge, als sich Raigos Ärmel vom Blut rötete. Doch die Wunde war nicht schwer und behinderte ihn nicht sonderlich. Jetzt aber war Raigo auf der Hut. Immer gezielter setzte er seine Schwertstre i che und bemerkte, daß Lardar durch die Abwehr der dicht auf dicht fallenden Hiebe zu e r müden begann. Nun drängte Raigo sein Pferd dicht an das Lardars. Dessen junges, une r fahrenes Roß scheute erschreckt zurück und fing ängstlich an zu schnauben. Nur mü h sam konnte Lardar es wieder zur Ruhe bringen, während er sich mit dem Schild vor Raigos A n griffen schützte. Dieser jedoch schien auf einmal mit mehreren Schwertern zu kämpfen, denn nun prasselten die Streiche dicht wie Hagelkörner auf Lardars Abwehr nieder.
Doch keiner der Hiebe verletzte Lardar, da Raigo nur mit der flachen Klinge schlug. Doch da machte das verängstigte Pferd einen Satz zur Seite. Raigos Klinge glitt d a durch von Lardars Schild ab und drang dem Prinzen in den ungeschützten Schenkel. Lardars Schmerzen s schrei erschreckte das Tier noch mehr. Mit schrillem Wi e hern bäumte es sich auf. Lardar verlor die Bügel, stürzte und schlug schwer auf dem Boden auf.
Sofort war Raigo aus dem Sattel und stand mit stoßbereitem Schwert über dem hil f los am Boden Liegenden. Hatten die Zuschauer bei Lardars Sturz auch aufgeschrien - jetzt herrsc h te atemlose Stille, als sich die Schwertspitze des Siegers dem Hals des Besiegten näherte.
„Ergebt Ihr Euch, Prinz Lardar von Ruwarad?“ fragte Raigo so laut, daß alle es hören kon n ten. „Ergebt Ihr Euch, und entsagt Ihr dem Anspruch auf Coriane?“
„Ja!“ röchelte Lardar, dessen Augen von Todesangst geweitet waren. „Ja, ja, ich e r gebe mich!“
„König Tamantes!“ rief Raigo zur Tribüne herüber. „Habt Ihr vernommen, was Prinz Lardar sagte?“
Auch König Tamantes war bei Lardars Sturz aufgesprungen. „Ja, ich habe es ve r nommen“, antwortete er nun, „und wohl auch jeder der hier Anwesenden. Somit erkläre ich Euch zum Sieger dieses Kampfes. Doch nun bitte ich Euch: Schont das Leben meines Gastes!“
„Ich hatte nie vor, es ihm zu nehmen“, antwortete Raigo und nahm das Schwert zurück. „Und nur der unglückselige Sprung seines Pferdes brachte sein Blut zum Fli e ßen , was zu vermeiden ich getrachtet hatte. Denn nun trifft mich doch der zweite Teil Eures Urteil s spruchs, was ich gern verhindert hätte.“
Einige Knappen kamen herbeigeeilt und trugen den Verletzten vom Kampfplatz. Raigo wandte sich ab, ohne einen weiteren Blick an den Besiegten zu verschwe n den. Er trat zu Scharin, tauschte das Schwert wieder aus und nahm Argin mit sich. Dann ging er mit schleppenden Schritten durch die Gasse, die das jubelnde Volk für ihn bildete, zum Schloß zurück.
Raigo war niedergeschlagen. Er hatte Lardar nicht verwunden, sondern nur stürzen und zur Aufgabe zwingen wollen. Aber nun war doch durch seine Hand Blut geflo s sen, und somit mußte er sich dem Spruch von Tamantes beugen. Zwei Jahre sollte er Coriane nun nicht s e hen! Die Zuversicht, die er durch Phägors Worte gewonnen hatte, schwand mit jedem seiner Schritte mehr. Warum bereiteten die Götter ausgerechnet ihm ein so schweres Schicksal? Was hatte er verschuldet, daß sie ihn so hart straften?
In seinem Zimmer angekommen, verschloß er die Tür hinter sich, und selbst auf Scharins Bitten hin, der sich um Raigos Wunde sorgte, ließ er sich nicht zum Öffnen bewegen.
4. Ein finsterer Plan
Unterdessen war Lardar von einem Arzt behandelt worden.
„Ihr hattet Glück, Prinz!“ meinte dieser. „Es ist nur eine leichte Fleischwunde, die Euch kaum Beschwerden bereiten wird. Ihr könntet sogar schon morgen wieder zu Pferd steigen, wenn Ihr nicht gerade ein Wettrennen veranstalten wollt. Ich habe Euch einen festen Verband a n gelegt und eine Salbe aufgetragen. Bleibt heute noch liegen und schont Euch, dann seid Ihr morgen wieder auf den Beinen.“
Nachdem der Arzt gegangen war, lag Lardar düster grübelnd auf seinem Bett. Er hatte se i ne Dienerschaft fortgeschickt, denn er konnte die teils mitleidigen, teils versteckt hämischen Bli c ke der Leute nicht ertragen. Daß er Coriane verloren hatte, ärgerte ihn gewaltig, denn er hatte sich überall mit der Schönheit seiner zukünft i gen Frau gebrüstet. Am meisten aber
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