Der goldene Greif
wie Raigo selbst gesagt hatte. Wie leicht konnte da auch einem Helden wie Neskon etwas zust o ßen!
Nun galt es nur herauszufinden, welchen Weg Raigo einschlagen würde, damit man ihm dort einen Hinterhalt legen konnte. Doch wie sollte er das anstellen? Niemand würde ihm Raigos Weg verraten, denn fragte er danach, würde jedermann sofort annehmen, er wolle sich an diesem Neskon für die Niederlage rächen.
Doch plötzlich hatte Lardar eine Idee. Richtig, Melisa, die kleine Wäschemagd von Coriane! Das Mädchen himmelte ihn an. Die verliebte Kleine würde ihm schon zu den Auskünften ve r helfen, wenn er ein wenig mit ihr schöntat.
Corianes kühle Zurückhaltung gegenüber ihrem Bräutigam hatte Lardar sehr g e kränkt, da er sich für unwiderstehlich hielt. Obgleich er in Coriane verliebt gewesen war, hatte ihn das nicht daran gehindert, bei der Zofe das zu suchen, was ihm die Braut verweigerte. Jetzt wü r de sich dieses kleine Abenteuer vielleicht noch auf a n dere Weise für ihn auszahlen.
Heimlich verließ Lardar seine Räume und schlich sich zum Wohntrakt der Diene r schaft, wo er unbemerkt - wie schon so oft - in das winzige Kämmerchen Melisas schlüpfte. Diese war damit beschäftigt , eines ihrer Kleidungsstücke auszubessern, als Lardar das Zimmer betrat.
Mit einem kleinen Freudenschrei ließ die zierliche Brünette ihre Arbeit fallen und sprang auf. Dann sank sie vor Lardar in einem tiefen Knicks zusammen. Dieser zog sie hoch und hob das blutübergoss e ne Gesicht des Mädchens zu sich empor.
„Kleine Melisa!“ sagte er schmeichelnd. „Du sollst doch nicht vor mir knicksen, wenn wir a l lein sind!“
„Herr, welche Freude und Ehre bereitet Ihr mir mit Eurem Besuch! Ich hatte g e glaubt, Euch nie mehr wiederzusehen nach den schrecklichen Geschehnissen - und heute Abend schon gar nicht, wo Ihr doch verwundet seid“, hauchte das Mädchen glücklich, doch in ihren gr o ßen, braunen Augen standen Tränen. Sie hatte gehofft, Lardar wenigstens hier und da für sich zu haben, auch wenn er mit Coriane verhe i ratet war, da sie mit Corianes Gefolge nach Ruwarad hatte ziehen sollen. Doch nun hatte das Erscheinen dieses schrecklichen Neskon ihr jede Hoffnung geraubt.
„Hör zu, Melisa!“ sagte Lardar. „Du solltest noch nicht alle Hoffnung aufgeben, denn wenn du mir hilfst, kann sich vielleicht noch alles für uns zum Guten wenden.“
In die Augen des Mädchens trat ein ungläubiges Staunen. „Ich, Herr? Wie könnte ich Euch helfen? Ich bin nur eine unbedeutende Magd. Doch gern will ich tun, was Ihr von mir ve r langt, wenn ich Euch d a durch nicht verliere.“
„Dann gib jetzt genau acht, was ich dir sage!“ flüsterte Lardar. „Ich muß diesen Neskon u n schädlich machen, dann kann alles wieder so werden, wie es war. Aber dazu muß ich wi s sen, wohin er ziehen will, verstehst du? Darum mußt du herausb e kommen, welchen Weg er einschlagen wird, wenn er von hier aufbricht. Mir wird es niemand sagen, da man gleich a n nehmen wird, daß ich böse Hintergedanken habe. Aber bei dir wird niemand etwas derart i ges vermuten. Willst du das für mich vers u chen, mein kleiner Liebling?“
Lardar zog das Mädchen an sich und küßte leidenschaftlich die weichen, verlangenden Li p pen. Als er sich von ihr löste, war er sicher, daß sie alles tun würde, was er von ihr verlangte - und wenn es ihr Leben kosten sollte.
„Ja, mein Prinz, ich werde erfahren, was Ihr wissen wollt“, sagte Melisa atemlos, und in ihren Augen glomm ein kleiner Teufel auf. Hier war etwas, womit sie ihn in ihre Gewalt bekommen konnte, wie sie meinte. „Ich weiß auch schon, wie ich es herau s bekomme. Owina, die Zofe der Herrin Coriane, mag mich gut leiden, und sie ist die Vertraute der Herrin. Wenn die He r rin weiß, wohin Neskon geht, weiß es auch Owina - und aus der werde ich es schon herau s holen!“ jauchzte sie triumphierend. „Doch dann werdet Ihr jetzt leider gehen müssen, Herr“ meinte sie dann bedauernd, „denn sonst kann ich heute nichts mehr erfahren, und morgen müßt Ihr fort. Wenn alles schläft, komme ich zu Euch, um zu berichten, was ich erfahren h a be - und nicht nur, um zu berichten!“ setzte sie mit einem schelmischen Lächeln hinzu.
Dann schob sie den höchst zufriedenen Lardar zur Tür hinaus und verschwand den Gang hinunter.
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