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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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Dunkelheit kaum zu sehen war. Nur das bleiche Oval ihres Gesichtes schimmerte sanft, als sie zu Raigo aufblickte.
    Ohne ein Wort zu sagen, zog Raigo sie in seine Arme und verbarg sein glühendes Gesicht in der kühlen Flut ihrer seidigen Haare. Eine Weile standen sie so, fest a n einander gepreßt, in der Hoffnung, in der Nähe des Anderen Trost und Rat zu finden. Dann machte sich Cori a ne sanft frei.
     
    „Raigo, ich mußte kommen!“ sagte sie, und ihre Stimme bebte. „Morgen wirst du wieder fortgehen, und ich weiß wieder nicht, ob du jemals zurückkehrst. Wie oft habe ich in all den Jahren Jurana, die Göttin der Liebenden, angefleht, sie möge dich mir zurückgeben. Doch die launische Göttin hat meinen Wunsch auf ihre Weise erfüllt: sie hat gegeben, um gleich wieder zu nehmen. Ach, Raigo, soll es denn für uns beide wirklich keine Zukunft geben?“
     
    „Ich allein trage die Schuld, Coriane“, antwortete Raigo niedergeschlagen. „Mir hat das Schicksal den törichten Wunsch erfüllt, den ich als Jüngling hatte. Ich wollte frei sein von Verpflichtungen, Abenteuer erleben und ein gefeierter Held sein. Das alles habe ich b e kommen - doch nun wird von mir der Preis dafür gefordert. Doch dieser Preis ist zu hoch! Soll ich für die paar Jahre Freiheit mit dem ganzen Rest meines Lebens bezahlen? Doch auch du sollst nun für meine Fehler büßen. Das darf nicht sein, Coriane, das ist nicht g e recht! Du mußt mich vergessen! Du darfst dich nicht an einen Mann verlieren, dessen Z u kunft so düster und ungewiß ist wie die meine. Doch das hätte ich bedenken sollen, ehe ich zu dir von me i ner Liebe sprach. Ich bin schuld, daß du nun leidest, und das werde ich mir nie vergeben können. Vergiß mich, Coriane, hörst du!? Dann bringt dir vielleicht das Schicksal doch noch das Glück, das du verdienst.“
     
    „Dich vergessen, Raigo? Wie könnte ich das?“ fragte Coriane. „Ich konnte dich in all den Jahren nicht vergessen und habe immer gehofft - nein, ich habe es gewußt, daß du eines Tages zurückkommen würdest. Du hast mich damals nie beachtet, denn in deinen Augen war ich noch ein Kind. Aber ich habe dich geliebt, so lange ich denken kann. Wie könnte ich jetzt aufhören, dich zu lieben?“
     
    „Coriane, du brichst mir das Herz!“ stöhnte Raigo. „Ich muß fort, du weißt das! Es gibt keine andere Lösung. Doch nun fällt mir der Abschied noch schwerer, denn ich weiß nicht, ob wir uns jemals wiedersehen werden. Zu viel an Unwägbarem und an Gefahren liegt auf meinem Weg, als daß ich dir versprechen könnte, daß ich zu dir zurückkomme. Und einen anderen Weg, der mich zu dir führen kön n te, weiß ich nicht.“
     
    Coriane klammerte sich mit einem Aufschluchzen an ihn. „Laß’ uns zusammen for t gehen, Raigo! Ich bitte dich!“ flehte sie. „Irgendwohin, wo wir zusammen leben können - zu Vangor, oder wohin du auch willst - nur laß’ mich nicht wieder allein!“
     
    „Coriane, mach dir nichts vor!“ antwortete Raigo resigniert. „Du weißt genau, daß Tamantes uns nie gehen lassen würde. Und fliehen wir heimlich, wird er uns verfolgen lassen. Und w e der Prinz Raigo von Ruwarad noch Neskon von Ubiranien kann seine Braut stehlen wie ein Barbar aus dem Norden. Und würdest du glücklich sein, wenn mir die Scham und das Hei m weh die Seele verbrennen würden? Denn dann  könnte ich weder nach Ruwarad noch nach Imaran jemals zurück, denn Tamantes würde mich zu Recht verachten. Ich brachte Unruhe und Schwierigkeiten in sein friedliches Haus und soll mich dann davonschleichen wie ein Dieb in der Nacht? Nein, Coriane, verlange das nicht von mir! Auf solchem Tun kann sich kein Glück begründen.“
     
    Er löste sich von ihr, ging hinüber zum Tisch und entzündete eine Lampe. Das fl a ckernde Licht fiel auf Corianes tränenüberströmtes Gesicht. Wie mit Messern schnitt ihr jammervolles Bild in Raigos Seele.
     
    „Coriane! Oh, ihr Götter, was soll ich nur tun?“ murmelte Raigo mit erstickender Stimme.
     
    Coriane lief zu Raigo hinüber und warf sich an seine Brust. „Nein, Raigo, nein! Ich will dich nicht wieder verlieren! Nimm mich mit zu dem Orakel. Es ist mir gleich, was passiert, wenn ich nur bei dir sein kann.“
     
    Eine Weile hielt Raigo das weinende Mädchen in den Armen und streichelte stumm und hilflos ihr Haar.
    Mit einmal jedoch strafften sich seine Schultern. Mit zärtlicher Geste hob er ihr G e sicht zu sich empor.
     
    „Sei vernünftig, Coriane!“ sagte er

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