Der goldene Greif
gegen Konias’ Her r schaftsantritt war, bevor nicht dein Tod endgültig bewiesen war. Und auch die anderen gehörten zu Konias’ Mörderbande. Viel Ü b les haben sie in Ruwarad verübt, doch niemand hat je erfahren, daß es durch die Männer des Königs und in seinem Auftrag geschah.’
,Was? Erigal ist tot?’ fragte Raigo entsetzt. Tränen traten in seine Augen, und er schluckte schwer. ,Das wird Konias mir büßen! Ich liebte diesen freundlichen Greis, und mein Vater schätzte seinen weisen Rat. Sag, Phägor, hat Lardar von dem allen gewußt?’
,Wohl nicht von allen Untaten seines Vaters’, antwortete Phägor, ,denn dieser hat ihn nicht oft ins Vertrauen gezogen, aber doch von einigen. - Aber sieh, es scheint noch Leben in ihm zu sein. Er hat sich bewegt.’
Raigo und Phägor gingen zu ihm hinüber. Lardar hatte die Augen geöffnet, und auf seinen Lippen stand blutiger Schaum. Raigo kniete neben ihm nieder.
„Hörst du mich, Vetter!“ fragte er. „Bald wirst du vor die Götter treten und dich für deine T a ten verantworten müssen. Mögen sie dir milde Richter sein, denn ein güt i ges Schicksal hat verhindert, daß du an mir und deinen Gefährten zum Mörder wurdest. Der Tod hat dich ei n geholt, ehe du schwere Schuld auf dich laden kon n test, und so sind deine Hände unbefleckt geblieben. Mögen die Götter dir den Tod durch die Klinge deines erwählten Opfers als Sü h ne anrechnen. Dein Vater jedoch wird bei ihnen und bei mir keine Gnade finden.“
„Mögen dich die Dämonen zerreißen, die dir gegen mich beigestanden haben!“ röchelte Lardar.
Sein Atem ging pfeifend, und bei seinen Worten brach ein großer Blutschwall aus seinem Mund. Seine blutunterlaufenen Augen starrten Raigo haßerfüllt an.
Einige Atemzüge lang lag er still. Dann verzerrte sich sein hübsches Gesicht zu einer angs t vollen Grimasse.
„Ich will nicht sterben!“ keuchte er. Er hob den Arm, und seine Hand krallte sich in Raigos Schulter. Mit gewaltiger Anstrengung zog er sich hoch. „Hörst du, Raigo, ich will nicht ste r ben! Ich habe Angst!“
Seine Stimme war ein heiserer Schrei, kaum noch hörbar und doch so durchdri n gend, daß Raigo ein Schauer über den Rücken lief.
„Hilf mir, Vetter! Hilf mir doch! Wir sind doch von gleichem Blut!“ flüsterte der Ste r bende. Wieder brach ein Schwall Blut aus seinem Mund, und dann schüttelte ein entsetzlicher Hu s ten seinen Körper, der nun kraftlos nach hinten sank.
Stoßweise schoß das Leben aus der klaffenden Wunde in Lardars Brust, der in vergebl i chem Versuch, das Fliehende aufzuhalten, die Hände darauf preßte. Noch einmal versuchte er zu sprechen, doch dann ging ein Zucken durch seinen Körper, und der angstgequälte Blick seiner Augen brach. Lardar war tot. Erschüttert kniete Raigo neben dem Toten und sah auf ihn nieder.
„Mögen die Götter ihm vergeben!“ sagte er tonlos. „So, wie auch ich ihm vergebe. In dieser Minute hat er all seine Untaten gesühnt. - Aber obwohl er meinen Tod g e wollt hat, kann ich ihn nicht so hier liegenlassen.“ Raigo stand auf. „Ich muß ihn begraben. Sei geschehen, was will - er ist von meinem Blut!“
,Er ist tot’, sagte Phägor sanft. ,Nicht den Toten sollte dein erster Gedanke gelten, sondern den Lebenden! Hast du dein treues Pferd vergessen? Trotz seiner Wunde trug es dich de i nen Feinden davon, und nur seine gewaltige Anstrengung gab dir den Vorsprung, der dir bis zu meiner Ankunft das Leben rettete. Sieh, noch steckt der Pfeil in seiner Wunde!’
Erschreckt fuhr Raigo herum, und die Röte der Scham färbte seine Wangen. Über all den Geschehnissen hatte er tatsächlich den treuen Ahath vergessen, der etwas a b seits stand und das verletzte Bein zur Entlastung hochgezogen hatte. Raigo lief zu ihm hin und legte seinen Arm um seinen Hals.
„Verzeih mir, mein Guter!“ sagte er schuldbewußt. „Wie konnte ich dich vergessen, dich, der du tausendmal mehr wert bist als dieser Tote da drüben? Komm, mein Freund, ich werde nach deiner Wunde sehen.“
Vorsichtig zog Raigo den Pfeil aus der Hinterhand des Pferdes, wobei Ahath vor Schmerzen schnaubte. Schon wollte Raigo in seiner Satteltasche nach einer Wun d salbe suchen, als der Greif plötzlich sagte:
,Du brauchst keine Salbe. Überlaß’ die Wunde mir!’
Erstaunt sah Raigo ihn an. ,Du kannst Wunden heilen?’ fragte er verblüfft.
,Wenn die Wunde nicht sofort ins Leben geht, ja’,
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