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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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etwa achtzig Ken z u rücklegte, schien das Felsengebirge nicht näher zu rücken . Das trostlose Einerlei und die bedrückende Gleichförmigkeit der Landschaft ließen Raigo die Einsamkeit noch stärker empfinden und legten sich wie Bleigewichte auf seine Schultern.
    Als der fünfte Morgen anbrach, wie immer grau und dunstig, hatte Raigo das G e fühl, einfach nicht mehr weiterzukönnen. Sein ganzes Unternehmen kam ihm mit einmal sinnlos vor. W a rum ritt er hier durch diese Einöde, hunderte von Ken von jeder menschlichen Behausung entfernt? Warum war er eigentlich nicht bei Vangor geblieben? Dort war es ihm doch gut gegangen. Er war der bevorzugte Freund des Königs gewesen, überschüttet mit Ruhm und Ehre. Die tapfersten Recken seiner Zeit waren stolz darauf, sich seine Freunde nennen zu dürfen. Verehrt vom Volk und bewundert von den Frauen war er gewesen. Gold in Fülle ha t te er sein eigen genannt und sich jeden Wunsch erfüllen können. Warum also, bei allen Gö t tern, hatte er das alles im Stich gelassen?
    Er hatte alles gehabt, was die Menschen als das höchste Glück ansehen. Welcher Dämon hatte ihn nur verblendet, dies alles gegen diese elende Wildnis einzuta u schen? Er kam sich vor wie jemand, der versucht, die sich im Wasser spiegelnden Sterne greifen zu wollen - dumm und töricht. Nein, er wollte nicht mehr zu diesem Orakel. Wozu auch? Die Chancen standen eins zu zehn, daß er das Orakel erreichte, und dann war nicht einmal gewiß, ob dessen Spruch günstig für ihn ausfiele. Sollte er denn für so eine vage Möglichkeit sein L e ben aufs Spiel setzen? Nein, so dumm war er nicht! Auf der Stelle wollte er umkehren. Vangor und die Moradin würden ihm einen festlichen Empfang bereiten. Im Geist sah er sich bereits durch die bl u mengeschmückte Stadt reiten, an der Seite des Königs, umgeben von den stolzen Moradin, und das Volk jubelte ihm zu. Ja, das war es, was er wollte!
     
    Er stand auf und sattelte Ahath. „Komm, mein Freund, wir reiten zurück!“ sagte er. „Bei Vangor wirst du den besten Hafer fressen und auf feinster Streu schlafen. Das ist etwas a n deres, als an spärlichen Büschen zu knabbern und auf hartem Boden zu liegen.“
     
    Ahath wandte den Kopf und sah Raigo an. Raigos Blick wurde von den nachtdunkeln Spi e geln seiner großen Augen eingefangen. Es war ihm, als sähe er in ihren Tiefen grüne Hügel, von Sonnenlicht übergossen. Auf der Kuppe eines dieser Hügel stand eine junge Frau. Go l dene Reflexe tanzten auf den kastanienbraunen Locken ihres im Winde wehenden Haares. An ihrer Seite stand ein Mann, der sie zärtlich bei der Hand hielt. Und dann erkannte er das Gesicht der Frau!
     
    „Coriane!“ rief er laut. Erschreckt warf Ahath den Kopf hoch, und die seltsame Vis i on war verschwunden. Raigo erwachte wie aus einem Traum.
    Coriane und die grünen Hügel von Ruwarad! Das war es, was er in Wirklichkeit wol l te! Das war es, weswegen er hier war. Nicht Ruhm und Ehre an Vangors Hof - die Liebe dieser Frau und die Rückkehr in die Heimat - das waren die Dinge, für die er sein Ziel erreichen mußte!
    Entschlossen schwang er sich in den Sattel und lenkte Ahath auf die Berge zu. Doch auch Tage später war er sich noch nicht sicher, ob er die Bilder wirklich in Ahaths Augen gesehen hatte, oder ob sie aus seiner eigenen Seele in ihm aufgestiegen w a ren.
     
    Langsam rückten die Berge nun doch näher, und zwölf Tage später hatte er den schroff au f ragenden Fuß des Gebirges erreicht. Doch nun stand er vor einem gr o ßen Problem. Was sollte aus Ahath werden? Ein Stück weiter konnte er das Tier wohl noch mitnehmen, aber höher hinauf wurde es zu steil, und außerdem waren die Felsen fast kahl, so daß Ahath kaum noch Futter finden würde. Er mußte ihn hier am Fuß der Berge zurücklassen.
    Die Entscheidung fiel Raigo schwer, und so beschloß er, die Lösung des Problems auf den nächsten Tag zu verschieben. Vielleicht brachte der neue Tag neue Mö g lichkeiten.
    Der eintönige Tag hatte Raigo wie immer ermüdet, und so fiel er bald in tiefen Schlaf, eing e hüllt von der warmen Geborgenheit des weichen Pferdeleibs. Der ruh i ge Atem Ahaths und sein eigener Herzschlag waren die einzigen Geräusche im ka l ten Schweigen der Berge und sangen ihm ein sanftes Schlaflied, das von Freun d schaft und Hoffnung erzählte.
    Plötzlich jedoch war die eisige Luft von einem anderen Geräusch erfüllt, und Raigo schrak hoch. Dumpfes Trommeldröhnen zerriß den Mantel der Stille, der

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