Der goldene Greif
ständig in Händel miteinander verwickelt sind. Ihr Reichtum sind ihre Herden, und nur auf diese verstehen sie sich wirklich. Handwerkskunst geht ihnen ab, und so sind sie auch keine guten Waffe n schmiede. Was sie an Waffen brauchen, kaufen oder stehlen sie im Allgemeinen von ihren Nachbarn. Daher sind Waffe n händler bei ihnen gern gesehen, wenn diese auch sehr auf der Hut sein müssen. Ihr solltet daher als Waffenhändler getarnt nach Cygon gehen. Es ist schade, daß die Wyranen keine Pferde haben, sonst könntest du eine Ladung ihrer vorzügl i chen Waffen mitnehmen. So aber mußt du Vangor bitten, den Moradin eine Anzahl der be s ten Schwerter mitzugeben, die in seinem Reich zu finden sind. Diese bei den Cygonen hoch geschätzten Kostbarkeiten werden euch Zugang zu Ejas Hof ve r schaffen, denn die Königin selbst ist eine ausg e zeichnete Schwertkämpferin, die wie ein Mann zu fechten versteht.
Wie du jedoch in den Tempel gelangst, kann ich dir nicht sagen. Das muß sich an Ort und Stelle ergeben. In den Tempel mußt du auch allein gehen, denn ich weiß nicht, ob einer der Moradin stark genug ist, dem Schrecken Thorakors zu widerst e hen. Doch auch du mußt auf der Hut sein! Zwar kann der Dämon dich nicht töten, denn der Schild Mynthars wird dich umgeben, aber er kann dich in seinen Bann schlagen, und das Grauen, das er verbreitet, ist unerträglich. Und nimm dich vor der Königin in Acht ! Ihre Schönheit übersteigt menschliches Maß, denn sie ist dem Dämon geweiht. Schon so mancher Mann verfiel ihren Liebeskünsten und landete als Opfer auf Thorakors Altar. Ihr Wesen scheint sanft und betörend, doch sie ist kalt und grausam. Wenn es dir gelingt, die Statue an dich zu bringen, mußt du fli e hen so schnell du kannst. Thorakors Macht ist begrenzt, und wenn du es schaffst, die Grenze von Cygon zu erreichen, bist du vor seiner und Ejas Zauberkraft g e schützt, doch nicht vor den Waffen der Königin und ihrer Männer! Doch denen sol l test ihr gewachsen sein. Geht alles gut, und du kannst die Statue retten, bringe sie auf dem schnellsten Weg hierher. Steht sie erst wieder auf ihrem Sockel, so bin auch ich frei und nicht mehr an den Dienst hier im He i ligtum gebunden. So erfüllst du deine Aufgabe auch für mich.’
,Wie gern würde ich dir diesen Dienst erweisen für all das, was du für mich getan hast!’ sa g te Raigo. ,Mögen die Götter es schenken, daß es mir gelingt.’
,Paß’ nur gut auf dich auf!’ antwortete Phägor. ,Der Wunsch, mir meine Freiheit zu geben, sollte für dich nie vor deiner Sicherheit stehen. Aber noch eines: Du solltest den weißen Streifen in Ahaths Mähne färben, denn Eja weiß von den Rossen Mynthars, und er würde dich verraten. Auch so schon mußt du gut auf Ahath ac h ten, denn die Cygonen schätzen edle Pferde. Und nun müssen wir wieder einmal Abschied nehmen, denn sonst läuft dir die Sonne davon. Ich habe dir alles gesagt, was ich über dein Unternehmen weiß. Mein Rat ist hier zu Ende, und nun müssen dein Glück und dein Mut die Sache entscheiden. Ich sage dir „Auf Wiedersehen“, denn ich hoffe, daß wir uns hier wieder treffen, bevor Kantar sein So n nenschiff im nächsten Jahr über den höchsten Punkt des Himmels steuert. Meine Gedanken we r den dich bis an die Grenze Cygons begleiten. In den Bannkreis Thorakors jedoch kann ich nicht eindringen.’
Phägor erhob sich und geleitete Raigo zurück ins Heiligtum. Dort schlang dieser die Arme um den Hals des Greifen. Stumm verharrten sie so eine Weile, still versunken in die vertra u te und vertrauende Nähe des Freundes. Dann schritt Raigo auf den Türbogen zu, der zu dem kleinen Vorraum führte. Als er ihn betrat, sah er, daß Leadir schon auf ihn wartete. Z u sammen durchquerten sie das große Portal und fanden Haldran und die beiden Wyranen auf den Stufen sitzend. Rasch sprangen die drei auf, und dann folgte ein kurzer, aber inniger A b schied von Haldran. Dann wandte sich der Jüngling um, und das große Tor schloß sich hinter dem neuen Priester Mynthars.
Stumm machten sich die drei Wyranen an den Abstieg, und Raigo folgte ihnen dichtauf. B e vor er die Plattform verließ, drehte er sich noch einmal um und schaute grüßend zu den be i den steinernen Greifen zurück, die ihn so sehr an Phägor eri n nerten.
Der Abstieg war fast noch beschwerlicher als der Aufstieg, und mehr als einmal glitt Raigo aus. Die Stürze hätten böse für ihn enden können, aber die Wyranen hatten ihn in die
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