Der goldene Greif
sein, und dort werde ich - wenn alles gut geht - mit euren Pferden warten. Aber vielleicht schaffe ich es auch schneller, dann komme ich euch entg e gen. Und nun verhaltet euch still, was auch geschieht, bis ihr Eja kommen hört.“
Die Gefährten ließen sich auf dem Boden nieder, und der Zwerg schlich davon. Da ließ wi e der ein Schrei das Gewölbe erdröhnen - und dann packte die Freunde ein unsagbares En t setzen! Fast körperlich konnten sie die Nähe eines namenlosen Grauens spüren, daß ihnen die Nackenhaare aufstellte und sie in stummem Scha u der erstarren ließ. Sie verloren jedes Zeitgefühl, als sie mit zitternden Gliedern d a saßen, von keinem anderen Gedanken beseelt als dem, das Grauen möge sie endlich freig e ben.
------------------------------------------
Raigo hatte keine Gedanken mehr. Es schien, als sei sein Geist nur noch erfüllt von dem unendlichen Schrecken, der an ihn zu gelangen versuchte. Als seine Seele kurz davor stand, den Kampf aufzug e ben, löschte eine barmherzige Macht Raigos Bewußtsein.
Immer wieder versuchte der Dämon, sich seinem Opfer zu nähern, doch stets stieß ihn eine gewaltige Kraft zurück. Eja sah fassungslos zu, wie der grauenhafte Scha t ten versuchte, Raigo zu ergreifen. Sie spürte die Kraft nicht, die den Dämonen z u rückhielt, und sie fragte sich, warum er sein Opfer nicht tötete. Als sich Thorakor dann plötzlich zurückzog, stieß sie einen Schrei der Enttäuschung aus. Warum verschmähte er ihre Gabe? Was hatte sie falsch g e macht?
Sie lief zu ihrem Gefangenen, um nachzusehen, ob er nicht doch tot war. Doch er atmete noch, auch wenn er ohne Bewußtsein war. Eja konnte das nicht begreifen. Noch nie hatte Thorakor ein von ihr dargebrachtes Opfer zurückgewiesen. Wieder stellte sie sich vor dem Standbild auf, doch ihre erneute Beschwörung blieb ungehört. Voller Wut und mit der g e heimen Angst, der Dämon könne ihr aus irgende i nem Grund zürnen, gab sie schließlich auf.
Aber dieser Randor durfte nicht am Leben bleiben. Erstens verzieh sie ihm nicht, daß er sie hatte täuschen können, und dann durfte auch niemand wissen, daß sich der Dämon seiner Hohepriesterin verweigert hatte. Wenn Thorakor ihn also nicht getötet hatte, mußte sie es eben selbst tun. Suchend blickte sie sich um, doch im ganzen Gewölbe war keine Waffe zu finden, da sie hier nie eine benötigt hatte. Stets hatte Thorakor sein Werk vollendet. Gut, so würde sie sich eben einen Dolch besorgen. Mochte dieser Randor ruhig noch einige Minuten leben. Er konnte ihr nicht davonlaufen. Immer noch voller Wut und an dem für sie unerklärl i chen Verha l ten des Dämonen rätselnd, verließ sie das Heiligtum.
-------------------------------------
Timio hatte keine Schwierigkeiten gehabt, die Pferde der Gefährten an die kleine Pforte bringen zu lassen. Die Stallknechte kannten ihn und wußten, daß er stets nur auf Befehl von Eja handelte. Sie schöpften auch keinen Verdacht, weil er nur die Reitpferde der Sechs fo r derte und die Packpferde stehen ließ. So konnte er sich schnell wieder auf den Rückweg machen, nachdem er die Tiere vor der Pforte a n gebunden hatte. Er wunderte sich zwar, daß ihm die Gefährten noch nicht entg e genkamen, aber man konnte ja nicht wissen, wie lange der D ä mon sich um sein Opfer bemühen würde. Timio war sich fast sicher, das Mynthars Schild den Fre m den schützen würde.
So langte er bei den Moradin an, kurz bevor Eja das Heiligtum verließ. Er hörte schon ihre Schritte , als er blitzschnell zu den Gefährten in den Seitengang en t wischte. Als die Schritte der Königin verhallten, sprang er auf.
„Schnell jetzt!“ rief er. „Ihr müßt euch beeilen! Wenn sie zurückkommt und sieht, daß Raigo und die Statue des Greifen verschwunden sind, wird sie den ganzen Palast zu eurer Verfo l gung zusamme n trommeln.“
Wenig später standen sie an der Tür des Heiligtums. Werigan wollte sie schon au f stoßen, als Timio ihn zurückhielt.
„Warte!“ sagte er. „Laß mich erst einen Blick hineinwerfen.“
Er öffnete die Tür einen Spalt und spähte hindurch. Sofort fuhr er wie von einer Schlange gebissen z u rück. Sein schmächtiger Körper zitterte wie Espenlaub.
„Ihr könnt nicht hinein“, stammelte er.
Weitere Kostenlose Bücher