Der goldene Greif
wieder den Hufschlag der Verfolger. Voller Angst und Verzwei f lung, daß man sie nach all den glücklichen Fügungen doch noch ergreifen würde, packte Werigan Raigo bei den Schultern und schüttelte ihn derb.
„Komm zu dir, Prinz von Ruwarad, sonst siehst du deine Heimat nie wieder!“ schrie er ihn an.
Ein Funken Verständnis dämmerte in Raigos Augen auf. „Ruwarad!“ sagte er lan g sam. „Ja, ich will nach Ruwarad. Ach ja, Werigan, wir wollen schnell dort hin reiten . Wo ist mein Pferd?“
„Den Göttern sei Dank!“ seufzte Werigan. „So weit ist er wenigstens wieder zu sich geko m men. Hier, Raigo, hier ist Ahath. Steig schnell auf. Wir müssen fliehen.“
Damit half er Raigo in den Sattel und sprang dann selbst wieder auf. Im ersten Dämmerlicht des Morgens sahen die Moradin schon ihre Verfolger nahen. Sie trieben ihre Pferde zu höchster Eile, und bald hatten sie wieder einen größeren Vo r sprung. Wenig später konnten sie ihre Feinde kaum noch sehen, und dann entzog die Entfernung sie völlig ihrer Sicht.
Gilian jubelte auf. „Wir haben es geschafft!“ rief er. „Wenn wir jetzt vom geraden Weg a b weichen, werden sie uns nicht mehr finden.“
„Dummkopf!“ fauchte Werigan in an. „Es wird hell. Glaubst du, die Cygonen sind blind und sehen unsere Spur hier im bereiften Gras nicht? Nur ein Wasserlauf oder ein starker Schneefall könnte sie vor ihnen verbergen. Und du vergißt Ejas Zauberkünste. Sie wird schon wissen, wie sie uns wieder aufspüren kann. Nein, wir müssen mit unveränderter G e schwi n digkeit weiterreiten, so lange unsere Pferde es durchhalten. Unsere Tiere sind besser als die ihren. Nur so mag es uns gelingen, ihnen zu entko m men.“
Und so jagten sie weiter über das ebene Grasland, das nur hier und da von etwas kahlem Buschwerk unterbrochen war.
Raigo hatte die ganze Zeit fest im Sattel gesessen. Sein Blick war jedoch immer noch leer und in weite Fernen gerichtet. Sein Umhang, den Werigan in der Eile nur am Hals geschlo s sen hatte, wehte hinter ihm her und entblößte seine nackte Brust. Doch Raigo schien die beiße n de Kälte des eisigen Windes nicht zu spüren. Besorgt blickten die Moradin auf den Freund, dessen Gesicht noch immer das ausgestand e ne Grauen reflektierte.
Immer wieder schaute Werigan zum Himmel auf, der grau und mit dicken Wolken verha n gen war. Er flehte zu Mynthar, es möge zu schneien anfangen. Und tatsäc h lich - eine viertel Stunde später fielen die ersten Flocken. Erst tanzten sie vereinzelt, vom kräftigen Wind durcheinandergewirbelt, wie Daunenfedern zur Erde ni e der. Bald aber begann es heftig zu schneien.
„Mynthar sei Dank!“ schrei Namur. „Er hat mein Flehen erhört.“
„Deines auch?“ lachte Werigan zurück. „Ja, Gilian, jetzt sieht es wirklich so aus, als könnten wir en t kommen.“
Doch er hatte diese Worte noch nicht ganz ausgesprochen, als sein Pferd zu lahmen b e gann. Fluchend verlangsamte er den Schritt, als neben ihm auch die anderen Pferde zu stolpern begannen. Nur Ahath lief mit gleicher Geschwindigkeit noch ein Stück weiter. Dann aber merkte das kluge Tier, daß die anderen zurückblieben, und kehrte um, da sein Herr sich im Sattel nicht rührte. Entsetzt sahen die Moradin auf ihre Pferde hinunter, die ke u chend und zitternd dastanden und deren Mäuler plöt z lich heftig zu schäumen anfingen.
„Das geht nicht mit rechten Dingen zu!“ rief Storn. „Das ist Ejas Werk.“
Werigan glitt aus dem Sattel. Mit dumpfer Verzweiflung sagte er: „Ja, du hast recht! Wir sind noch in ihrem Machtbereich. Wir haben die Grenze von Cygon noch lange nicht erreicht.“
„Was sollen wir nun tun?“ fragte Namur ratlos. „Wir können doch nicht hier si t zenbleiben und warten, bis Eja kommt, uns die Beute wieder abnimmt und uns alle auf Thorakors Altar schleppt!“
„Nein, das werden wir auch nicht“, sagte Werigan entschlossen. „Seht, Ahath scheint der Zauber nichts anzuhaben. Wir werden den goldenen Greifen an seinem Sattel festbinden, und dann soll er mit Raigo fliehen und ihn in Sicherheit bringen. Ich weiß, daß er verstehen wird, was wir von ihm verlangen. Wir anderen bleiben hier und ziehen die Verfolger auf uns. Wenn wir im Kampf fallen, so ist das ein Schicksal, dem wir oft genug ins Auge gesehen h a ben. Das kann uns nicht schrecken. Und Eja kommt um ihr Vergnügen, denn ich glaube, keiner von uns wird sich l e bend von ihr fassen lassen. Nun,
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