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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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genießen, weil er sah, dass es Ranofer schmeckte. Er zog sein Messer heraus, schnitt ein Stück von der Lotoswurzel ab und bot es Ranofer an. „Nein, danke. Ich mag die Wurzel wirklich nicht, das war nicht gelogen.“
    „Und ich mag sie wirklich. Auch das war nicht gelogen“, sagte Heqet versöhnlich und bot dem Alten das Stück an.
    „Oh, das kann ich kaum abschlagen.“ Er nahm es von der Messerspitze und wandte sich an Ranofer: „Ich zeig dir, wo die Bohnen wachsen. Weiter unten am Flussufer ist eine gute Stelle. Wenn du willst, kannst du dir dort jeden Tag welche holen. Aber sag mir, Junge, warum hast nur eine halb vertrocknete Zwiebel zum Mittagessen? Wer sorgt denn für dich?“
    „Mein Halbbruder. Gebu, der Steinmetz. Ich bin sein Lehrjunge.“
    „Das ist ein karges Mahl für eine so schwere Arbeit.“
    „Es ist nicht immer so wenig. Heute Morgen hatte ich Linsen. Ist ja außerdem auch egal. Wenn ich kann, bleibe ich sowieso nicht mehr lange bei Gebu.“
    „Nein? Was hast du denn vor?“
    „Ich will Goldschmied werden wie mein Vater.“
    „So, so, Goldschmied! Eine schönes Handwerk!“ Der kluge Blick des Alten verweilte auf Ranofer. Dann fügte er etwas zweideutig hinzu: „Ich habe aber auch gehört, dass es eine schwierige Arbeit sein soll, mein Junge.“ Heqet wischte sich die Finger am Gras ab. „Er erzählt nur die halbe Wahrheit, Gevatter. Wie der Hund, der sagte, ich habe nur den Knochen gefressen, dabei fehlte die ganze Keule… Im letzten Winter war er der geschickteste Lehrjunge in Rekhs Goldhaus, auch wenn er nur Gehilfe war. Sein Vater hat ihm mehr beigebracht, als ich in einem Jahr lernen werde.“
    „Und wie kommt es, dass du nun mit Stein arbeitest?“, wollte der Alte wissen.
    „Weil – “ Ranofer hielt inne und tauschte einen Blick mit Heqet aus, der mit zusammengepressten Lippen dasaß. „Wegen eines Weinschlauchs“, sagte Ranofer schließlich. „Er kann es ruhig wissen, Heqet, er sagt niemandem etwas.“
    Sie erzählten ihre Geschichte. Die Gräser raschelten und rauschten in der heißen Luft, und der alte Esel lag in einiger Entfernung auf einem neuen Plätzchen und kaute gemächlich seine Blätter. Als sie aufgegessen hatten und die Geschichte zu Ende war, waren aus den zwei Jungen und dem alten Mann drei Freunde geworden. Kurze Zeit später verabschiedeten sie sich auf dem Pfad. „Wir treffen uns morgen wieder. Kommst du auch, Gevatter?“, fragte Heqet.
    „Wenn ich nicht an den Kais Ladung löschen muss oder wenn mich der Große Gebieter nicht schnappt…“ Kichernd trieb der Alte seinen Esel zum Aufstehen an. „In letzter Zeit zufällig eine Hinrichtung gesehen?“, fragte er zu Ranofer gewandt. „Nein.“
    „Gut so! Ha! Das ist klug. Man hat schließlich selbst genug Sorgen auf dieser Welt, da braucht man sich nicht auch noch um die der anderen zu kümmern. Möge Ra in dein Leben scheinen und möge es Mut, die heilige Mutter, gut mit dir meinen.“
    Der Alte und der Esel stapften zwischen den Papyrusstauden zum Sumpf, die beiden Jungen gingen zu ihren Werkstätten zurück. Ranofer fühlte sich gestärkt von dem ungewohnten Mahl und der Gesellschaft der Freunde und freute sich schon auf den kommenden Tag.

8
     
     
     
    Das Frühjahr kam, die Hitze wurde größer und der Fluss zog sich immer weiter in sein Bett zurück. Ranofer und Heqet trafen sich, so oft sie konnten, in der Mittagspause oder am Abend nach der Arbeit. Oft kam auch der Alte mit seinen Ägyptischen Bohnen, seinem lustigen Kichern und seinen verschmitzten, weisen Neckereien dazu. Nach vielen, vielen Tagen schließlich lernte Heqet im Goldhaus, wie man Perlen machte. Am Abend erklärte er Ranofer, wie es ging.
    „Es ist ganz leicht, man braucht nur das richtige Werkzeug. Erinnerst du dich noch an den Holzkohleblock mit den kleinen runden Vertiefungen? Rekh bewahrt ihn immer im Regal neben dem großen Schmelzofen auf.“
    „Ja, ich erinnere mich.“
    „Du musst nur kleine Goldstückchen in die Löcher geben und schmelzen. Heute hab ich dafür die Feilung genommen. Wenn die Schmelze die richtige Farbe hat, nimmst du den Block vom Feuer, wartest, bis das Gold ausgekühlt ist, und kippst die Perlen raus. Die gibst du in ein Säurebad, spülst sie anschließend in Wasser – und schon kannst du sie löten. Rekh macht ein Armband daraus – für die Frau eines Richters. Es gibt noch eine andere Methode: Du wickelst Golddraht um einen geraden dünnen Stab und schneidest die Spirale auf.“
    „Ja,

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