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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Richtung.
    »Ja«, sagte er einen Augenblick später, als er wieder auf ihrem Handgelenk saß, »es ist Lord Asriel. Er treibt seine Hunde an wie wahnsinnig, und hinten im Schlitten sitzt ein Kind…«
    Lyra merkte, wie Iorek Byrnison seinen Schritt änderte. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er wurde langsamer und schwenkte den erhobenen Kopf nach links und rechts.
    »Was ist los?« fragte Lyra.
    Iorek antwortete nicht, sondern lauschte aufmerksam. Lyra hörte nichts. Doch dann hörte sie etwas: ein geheimnisvolles, weit entferntes Knistern und Rauschen. Sie hatte das Geräusch schon einmal gehört: das Rauschen der Aurora. Aus dem Nichts tauchte ein heller Schein auf, der wie ein schimmernder Vorhang vor dem nördlichen Himmel hing. All die unsichtbaren Milliarden und Billionen geladener Teilchen, darunter vielleicht auch Staub, trugen zu jenem Leuchten in den oberen Schichten der Atmosphäre bei. Offenbar stand ein außergewöhnliches Spektakel bevor, wie Lyra es noch nicht gesehen hatte, als ob die Aurora wüßte, was für ein Drama sich hier unten abspielte, und es mit entsprechend eindrucksvollen Effekten ausleuchten wollte.
    Doch die Bären sahen nicht nach oben. Ihre Aufmerksamkeit galt ausschließlich dem Erdboden. Also war es nicht die Aurora, die Ioreks Aufmerksamkeit fesselte. Er stand jetzt völlig bewegungslos da, und Lyra glitt von seinem Rücken, da sie wußte, daß seine Sinne sich sonst nicht frei entfalten konnten. Irgend etwas beunruhigte ihn.
    Lyra drehte sich um und sah über die endlos weite Ebene zurück zu Lord Asriels Haus und zu dem Gebirge, das sie am Vortag überquert hatten, doch bemerkte sie nichts Verdächtiges. Das Leuchten der Aurora wurde unterdessen immer stärker. Die ersten Schleier zitterten und rasten zur Seite, und über ihnen falteten und entfalteten sich immer neue bizarre Vorhänge, die von Minute zu Minute größer wurden und intensiver leuchteten; Bögen und Schlingen wirbelten von Horizont zu Horizont und schickten ihr gleißendes Licht bis zum Zenit. Deutlicher denn je hörte Lyra das kosmische Singen und Brausen gewaltiger, unsichtbarer Kräfte.
    »Hexen!« rief die Stimme eines Bären, und Lyra wandte sich froh und erleichtert um.
    Doch eine harte Schnauze stieß sie zurück, und atemlos und in stummem Entsetzen sah sie, daß an dem Platz, an dem sie eben noch gestanden hatte, das Ende eines grüngefiederten Pfeiles aus dem Schnee ragte. Spitze und Schaft versanken im Schnee.
    Unmöglich! dachte sie schwach, aber es stimmte, denn ein zweiter Pfeil prallte klappernd von Ioreks Rüstung, der über ihr stand, ab. Das waren nicht Serafina Pekkalas Hexen, sondern Hexen eines anderen Clans. Ein Dutzend oder mehr kreisten über ihnen, stießen herunter, um ihre Pfeile abzuschießen, und stiegen wieder auf. Lyra fluchte mit den schlimmsten Wörtern, die sie kannte.
    Iorek Byrnison erteilte rasche Befehle. Die Bären waren ganz offensichtlich erfahren im Kampf gegen Hexen, denn sie hatten sich sofort zur Verteidigung formiert, während die Hexen ebenfalls ohne Verzug zum Angriff übergingen. Sie konnten nur aus nächster Entfernung genau zielen, und um keine Pfeile zu verschwenden, stießen sie herunter, schössen am tiefsten Punkt ihres Abwärtsfluges und stiegen dann sofort wieder hinauf. Wenn sie allerdings am tiefsten Punkt angelangt und ihre Hände mit Pfeil und Bogen beschäftigt waren, waren sie verwundbar, und die Bären schnellten mit ausgestreckten Tatzen hoch, um sie herunterzuholen. Mehr als eine Hexe stürzte ab und wurde sofort getötet.
    Lyra duckte sich neben einem Felsen, um sich vor den Hexen zu schützen. Einige schössen auf sie, aber die Pfeile verfehlten ihr Ziel weit; und als Lyra wieder aufblickte, sah sie, daß der größte Teil des Hexenschwarmes kehrtmachte und zurückflog.
    Lyra war erleichtert, allerdings nur kurz. Aus der Richtung, in die die Hexen flogen, sah sie zahlreiche neue kommen, die sich ihnen anschlössen. In ihrer Mitte schwebte eine Reihe heller Lichter, und über der weiten, von der Aurora überstrahlten Ebene von Svalbard hörte Lyra ein Geräusch, das sie kannte und fürchtete: das harte Klopfen eines Gasmotors. Dort näherte sich der Zeppelin mit Mrs. Coulter und ihren Soldaten an Bord.
    Iorek knurrte einen Befehl, und die Bären formierten sich sofort neu. Im gespenstisch flackernden Licht des Himmels sah Lyra, wie sie eilig den Feuerwerfer vom Schlitten luden. Die Vorhut des neuen Hexenschwarmes hatte die Bären jetzt auch

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