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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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hatten unrecht. Es gelang uns, die Welt da oben zu sehen. Und wenn Licht dort hinüberkommt, können wir das auch. Wir mußten einfach erst lernen, diese Welt zu sehen, Lyra, wie du gelernt hast, das Alethiometer zu benutzen.
    Diese Welt entstand nun wie jede andere Welt als Folge einer Möglichkeit. Es ist, als würde man eine Münze werfen: Sie kann mit Kopf oder Zahl herunterfallen, aber wir wissen es erst, wenn sie heruntergefallen ist. Liegt der Kopf oben, heißt das, die Möglichkeit, daß die Zahl oben liegt, ist ausgeschieden. Bis zu diesem Moment waren beide Möglichkeiten gleichberechtigt.
    Aber in einer anderen Welt liegt die Zahl oben. Wenn das geschieht, brechen die beiden Welten auseinander. Ich verwende das Beispiel mit der Münze zur Veranschaulichung. Daß bestimmte Möglichkeiten ausscheiden, passiert auch auf der Ebene der Elementarteilchen auf genau dieselbe Art: Im einen Moment sind noch mehrere Dinge möglich, im nächsten wird aus einer Möglichkeit Wirklichkeit, und die anderen Möglichkeiten gibt es nicht mehr. Es sei denn, es entstehen andere Welten, in denen diese Möglichkeiten verwirklicht wurden.
    Und ich werde die Welt jenseits der Aurora betreten, weil ich glaube, daß aus ihr der Staub in diese Welt kommt. Du hast die Lichtbilder gesehen, die ich den Wissenschaftlern im Ruhezimmer gezeigt habe. Du hast die Stadt selbst gesehen. Wenn Licht die Barriere zwischen den Welten überwinden kann, wenn der Staub das kann und wenn wir diese Stadt sehen können, dann können wir auch eine Brücke hinüberbauen und sie überqueren. Dazu braucht man allerdings einen ungeheuren Schub an Energie. Aber ich kann es schaffen. Irgendwo von da draußen kommen Staub, Tod, Sünde, Elend und die ganze Zerstörungswut auf dieser Welt. Die Menschen können nichts sehen, ohne es gleich zerstören zu wollen, Lyra. Das ist die eigentliche Erbsünde. Und ich werde sie vernichten. Der Tod wird sterben.«
    »Haben sie dich deshalb hier eingesperrt?«
    »Ja. Sie haben schreckliche Angst. Und mit gutem Grund.«
    Er stand auf, und auch sein Dæmon erhob sich, stolz, schön und tödlich. Lyra saß regungslos da. Sie hatte Angst vor ihrem Vater; zugleich bewunderte sie ihn zutiefst, und sie hielt ihn für völlig verrückt. Aber durfte sie sich ein Urteil anmaßen?
    »Geh schlafen«, sagte er. »Thorold zeigt dir dein Zimmer.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    »Du hast das Alethiometer liegenlassen«, sagte sie.
    »Ach ja, aber ich brauche es jetzt eigentlich gar nicht«, sagte er. »Ohne die Bücher würde es mir sowieso nichts nützen. Ich glaube mehr, der Rektor von Jordan wollte es dir geben. Hat er wirklich gesagt, du solltest es mir bringen?«
    »Ja, natürlich!« sagte sie. Aber dann dachte sie noch einmal nach, und ihr fiel ein, daß der Rektor das nicht gesagt hatte. Sie hatte es die ganze Zeit angenommen, denn warum hätte er es ihr sonst geben sollen? »Nein«, sagte sie, »ich weiß nicht. Ich dachte…«
    »Tja, ich will es nicht. Es gehört dir, Lyra.«
    »Aber…«
    »Gute Nacht, Kind.«
    Sprachlos und zu verwirrt, um eine der vielen Fragen stellen zu können, die sie bedrängten, nahm Lyra das Alethiometer und wickelte es in den schwarzen Samt. Am Feuer sitzend sah sie ihm nach, wie er das Zimmer verließ.

Verrat
     
     
    Sie wachte auf, weil ein Fremder sie am Arm schüttelte. Erst als Pantalaimon hochfuhr und knurrte, erkannte sie Thorold. Er hielt eine Naphthalampe, und seine Hand zitterte.
    »Miss… Miss… stehen Sie schnell auf. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er hat keine Anweisungen hinterlassen. Ich glaube, er ist verrückt, Miss.«
    »Was? Was ist passiert?«
    »Lord Asriel, Miss. Er war wie im Delirium, nachdem Sie zu Bett gegangen sind. Ich habe ihn noch nie so rasend erlebt. Er hat eine Menge Instrumente und Batterien in einen Schlitten gepackt, die Hunde angespannt und ist fort. Aber er hat den Jungen dabei, Miss!«
    »Roger? Er hat Roger mitgenommen?«
    »Er sagte, ich solle ihn wecken und anziehen, und ich habe ihm nicht widersprochen… das habe ich nie… der Junge fragte die ganze Zeit nach Ihnen, Miss… aber Lord Asriel wollte nur ihn… wissen Sie noch, wie Sie durch die Tür traten, Miss? Wie er sie sah und seinen Augen nicht trauen wollte und sagte, sie sollten verschwinden?«
    Lyras Kopf war ein solches Durcheinander aus Erschöpfung und Angst, daß sie nichts denken konnte und nur »Ja? ja?« sagte.
    »Das war, weil er ein Kind brauchte, um sein Experiment zu beenden, Miss! Und

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