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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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hat.« »Woher denn?«
    »Wir haben einen von den Gobblern erwischt und zum Reden gebracht. Deshalb wissen wir ein paar Sachen über sie. Die beiden Männer letzte Nacht waren keine Gobbler; sie waren zu ungeschickt. Wenn es Gobbler gewesen wären, hätten wir sie lebend mitgenommen. Wir Gypter haben unter den Gobblern mehr gelitten als sonst jemand, und wir treffen uns jetzt, um zu beraten, was wir dagegen tun können. Deshalb waren wir letzte Nacht im Hafen; wir mußten unsere Vorräte aufstocken, denn die Gypter versammeln sich oben in den Fens zu einem Thing, wie wir es nennen. Und ich schätze, wenn wir unsere Erfahrungen ausgetauscht und unser Wissen zusammengebracht haben, werden wir einen Rettungstrupp losschikken. Das würde ich jedenfalls an John Faas Stelle tun.«
    »Wer ist John Faa?«
    »Der König der Gypter.«
    »Ihr wollt wirklich die Kinder retten? Und was ist mit Roger?«
    »Wer ist Roger?«
    »Der Küchenjunge aus Jordan College. Er wurde genau wie Billy einen Tag, bevor ich mit Mrs. Coulter fortging, entführt. Ich wette, wenn ich entführt worden wäre, würde er kommen und mich befreien. Wenn ihr Billy rettet, komm ich mit und rette Roger.«
    Und Onkel Asriel, dachte sie; aber das sagte sie nicht laut.

John Faa
     
     
    Mit diesem Ziel vor Augen ging es Lyra schon viel besser. Mrs. Coulter zu helfen war schön und gut gewesen, aber Pantalaimon hatte recht: Lyra hatte dort im Grunde nichts zu tun gehabt, außer zu allen lieb und nett zu sein. Auf dem gyptischen Boot dagegen gab es richtige Arbeit, und Ma Costa sorgte dafür, daß Lyra diese Arbeit tat. Lyra putzte und fegte, schälte Kartoffeln und kochte Tee, ölte die Welle der Schiffsschraube und entfernte das Gras aus dem Schutzgitter der Schraube, sie wusch ab, öffnete Schleusentore und vertäute das Schiff an den Pollern der Liegeplätze, und innerhalb weniger Tage hatte sie sich so an ihr neues Leben gewöhnt, als wäre sie schon immer eine Gypterin gewesen.
    Was sie nicht bemerkte, war, daß die Costas sich auf ihren Landgängen aufmerksam umhörten, ob jemand auffallendes Interesse für Lyra zeigte. Lyra war, auch wenn sie es nicht wußte, eine wichtige Person, und offenbar suchten Mrs. Coulter und die Oblations-Behörde überall nach ihr. Wie Tony unterwegs in Kneipen erfuhr, führte die Polizei ohne jede Erklärung Razzien in Häusern und Farmen, Hinterhöfen und Fabriken durch, und es kursierte das Gerücht, sie würde nach einem vermißten Mädchen fahnden. Und das war schon merkwürdig angesichts der vielen Kinder, die verschwunden waren, ohne daß man nach ihnen gesucht hatte. Gypter und Landbevölkerung waren verunsichert und zutiefst beunruhigt.
    Es gab auch noch einen anderen Grund, warum Lyra den Costas so wichtig war, aber das sollte sie erst ein paar Tage später
    erfahren.
    Lyra mußte unter Deck bleiben, wenn das Boot an der Hütte eines Schleusenwärters, einem Kanalhafen oder einem anderen Ort vorbeikam, wo sie gesehen werden konnte. Einmal fuhren sie durch eine Stadt, in der die Polizei den Verkehr in beiden Richtungen anhielt und alle passierenden Schiffe durchsuchte. Doch die Costas waren gewappnet. Unter Ma Costas Koje befand sich ein Geheimfach, in dem Lyra zwei Stunden lang zusammengekauert lag, während die Polizisten erfolglos jeden Winkel des Bootes durchsuchten.
    »Wieso haben ihre Dæmonen mich eigentlich nicht entdeckt?« fragte Lyra hinterher. Ma Costa zeigte ihr, daß das Versteck innen mit Zedernholz ausgekleidet war, das auf Daemonen wie ein Schlafmittel wirkte. Tatsächlich hatte Pantalaimon die ganze Zeit friedlich an Lyras Kopf geschlafen.
    Langsam, mit zahlreichen Unterbrechungen und Umwegen, näherte sich das Boot der Costas den Fens, jener weiten und nie vollständig kartographierten Wildnis in East Anglia. Unter einem unermeßlich hohen Himmel erstreckte sich eine endlose Moorlandschaft, die an ihrem äußersten Saum unmerklich in die Wasserläufe und seichten Buchten des Meeres überging, an dessen anderem Ende ebenso allmählich die Küste Hollands auftauchte. Teile der Fens waren von Holländern trocken gelegt und eingedeicht worden, und einige Holländer hatten sich hier angesiedelt, deshalb war die Sprache der Fens mit vielen holländischen Wörtern durchsetzt. Andere Teile waren jedoch nie trocken gelegt und bepflanzt oder besiedelt worden, und hier, in den wildesten Gegenden im Landesinnern, wo Aale die Flüsse bevölkerten und Schwärme von Wasservögeln brüteten, wo gespenstische

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