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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Menschen.
    Jetzt wurde Lyra erst recht nervös. Sie blieb dicht bei Ma Costa, und Pantalaimon machte sich so groß er konnte und verwandelte sich in einen Panther, um sie zu beruhigen. Ma Costa stapfte die Stufen empor, als könne nichts auf der Welt sie aufhalten oder ihren Schritt beschleunigen, und rechts und links von ihr gingen stolz wie zwei Prinzen Tony und Kerim.
    In der Halle brannten Naphthalampen, die Gesichter und Körper der Anwesenden beleuchteten, das Dachgebälk in der Höhe jedoch im Dunkeln ließen. Die hereinströmenden Menschen hatten Mühe, einen Platz zu finden — die meisten Bänke waren bereits voll —, aber die Familien rückten noch enger aneinander und nahmen die Kinder auf den Schoß, um Platz zu machen, und die Dæmonen rollten sich entweder am Boden zusammen oder hockten auf den Balken der grobgezimmerten Holzwände.
    An der Stirnseite des Zaal war ein Podium mit acht holzgeschnitzten Stühlen aufgebaut. Als Lyra und die Costas an der seitlichen Wand der Halle schließlich einen Stehplatz gefunden hatten, tauchten acht Männer aus dem Schatten hinter dem Podium auf und traten vor die Stühle. Erregtes Gemurmel ging durch die Menge, und die Anwesenden bedeuteten einander zu schweigen und quetschten sich auf die letzten freien Plätze auf den Bänken. Schließlich herrschte Stille, und sieben der Männer auf dem Podium setzten sich.
    Der Mann, der stehen blieb, war in den Siebzigern, aber immer noch hochgewachsen, stiernackig und kräftig. Wie die meisten gyptischen Männer trug er eine schlichte Segeltuchjacke und ein kariertes Hemd; allein durch die Stärke und Autorität, die er ausstrahlte, unterschied er sich von den anderen. Lyra erkannte diese Ausstrahlung wieder: Onkel Asriel hatte sie und ebenso der Rektor von Jordan. Der Dæmon des Mannes war eine Krähe, die dem Raben des Rektors ähnelte.
    »Das ist John Faa, der Herrscher der westlichen Gypter«, flüsterte Tony.
    Dann begann John Faa mit einer tiefen, langsamen Stimme zu sprechen.
    »Gypter! Willkommen zu unserem Thing. Wir sind hier, um zu beraten und zu entscheiden. Ihr wißt alle, um was es geht. Unter uns sind viele Familien, die ein Kind verloren haben, manche sogar zwei. Jemand raubt sie. Auch die Landloper verlieren Kinder. Sie sind in derselben Lage wie wir.
    Es hat viel Gerede gegeben über ein Kind und eine Belohnung. Hier ist die Wahrheit, damit der Klatsch ein Ende hat. Das Kind heißt Lyra Belacqua, und es wird von der Polizei der Landloper gesucht. Wer es der Polizei ausliefert, erhält eine Belohnung von tausend Sovereign. Das Mädchen ist ein Landloperkind, und es befindet sich in unserer Obhut, wo es auch bleiben wird. Wen diese tausend Sovereign in Versuchung führen, der wird weder an Land noch auf dem Wasser vor uns sicher sein. Wir liefern das Mädchen nicht aus.«
    Lyra spürte, wie sie von den Haarwurzeln bis zu den Fußsohlen errötete; Pantalaimon verwandelte sich in eine braune Motte, um sich zu verstecken. Aller Augen wandten sich ihnen zu, und Lyra sah hilfesuchend zu Ma Costa auf.
    John Faa sprach bereits weiter.
    »Aber durch Reden ändern wir nichts. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir handeln. Was ihr noch wissen solltet: Die Gobbler, diese Kindsräuber, bringen ihre Gefangenen in eine Stadt im hohen Norden, hoch hinauf ins Land der Finsternis. Ich weiß nicht, was sie dort mit ihnen machen. Manche sagen, sie würden sie töten, aber jeder behauptet etwas anderes. Wir wissen es nicht. Wir wissen jedoch, daß Polizei und Klerus ihnen dabei helfen. Die Mächtigen des Landes helfen ihnen. Merkt euch das. Sie alle wissen, was vorgeht, und helfen nach Kräften. Was ich vorhabe, ist daher nicht leicht, und ich brauche dazu eure Zustimmung. Ich schlage vor, daß wir Krieger in den Norden entsenden, um die Kinder zu retten und zurückzubringen, und daß wir unser Gold und unser ganzes Geschick und unseren Mut in dieses Vorhaben stecken. Ja, Raymond van Gerrit?«
    Ein Mann im Publikum hatte die Hand gehoben, und John Faa erteilte ihm das Wort und setzte sich.
    »Entschuldigung, Lord Faa. Nicht nur gyptische, sondern auch Landloperkinder wurden gefangengenommen. Soll das heißen, daß wir die auch retten?«
    John Faa stand auf, um zu antworten.
    »Raymond, willst du damit sagen, wir sollten alle möglichen Gefahren auf uns nehmen, um zu einer Gruppe verängstigter Kinder zu gelangen und dann einigen zu sagen, sie könnten mit nach Hause kommen, und den übrigen, sie müßten dort bleiben?

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