Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
Grund, weshalb man ihn nicht erschossen hat, ist sein erstaunliches Geschick im Umgang mit Metallen; er sollte für sie arbeiten.«
    »Wie ein Sklave!« rief Lyra empört. »Dazu haben sie kein Recht!«
    »Wie dem auch sei, man hätte ihn jedenfalls für seine Morde erschießen können, hat es aber nicht getan. Statt dessen hat man ihn dazu verurteilt, so lange für die Stadt zu arbeiten, bis er den Schaden abbezahlt und für die Morde gebüßt hat.«
    »John«, sagte Farder Coram, »ich weiß nicht, was du denkst, aber ich glaube fest, daß man ihm seine Rüstung nie zurückgeben wird, denn je länger man ihn hier festhält, desto wütender wäre er, wenn er sie wiederbekäme.«
    »Aber wenn wir sie ihm beschaffen, würde er bestimmt mit uns kommen und die Stadt für immer in Ruhe lassen«, sagte Lyra. »Ich verspreche es, Lord Faa.«
    »Aber woher sollen wir sie bekommen?«
    »Ich weiß, wo sie ist!«
    In dem Schweigen, das plötzlich herrschte, konnten die drei den stechenden Blick, mit dem der Dæmon der Hexe Lyra anstarrte, beinahe körperlich spüren. Sie sahen ihn gleichzeitig an, auch ihre Dæmonen, die bis dahin vor lauter Höflichkeit nicht gewagt hatten, den Blick zu diesem einzigartigen Wesen zu erheben, das ohne seinen Körper erschienen war.
    »Es wird dich nicht überraschen«, sagte die Gans an Lyra gewandt, »zu erfahren, daß das Alethiometer ein weiterer Grund dafür ist, weshalb sich die Hexen für dich interessieren. Unser Konsul hat uns von eurem Besuch heute morgen berichtet. Ich nehme an, es war Doktor Lanselius, der euch von dem Bären erzählt hat.«
    »Das stimmt«, sagte John Faa. »Lyra und Farder Coram haben ihn aufgesucht und mit ihm gesprochen. Es kann ja sein, daß Lyra recht hat, aber wenn wir gegen die Gesetze der Bevölkerung hier verstoßen, bekommen wir nur Streit mit ihnen, dabei sollten wir eigentlich zusehen, daß wir nach Bolvangar kommen, Bär hin oder her.«
    »Hm, aber du hast ihn nicht gesehen, John«, sagte Farder Coram. »Und ich glaube Lyra. Vielleicht könnten wir uns für ihn verbürgen. Und ihn dabeizuhaben könnte ein großer Vorteil für uns sein.«
    »Was meinen Sie, Sir«, fragte John Faa den Dæmon der Hexe.
    »Wir haben nur selten mit Bären zu tun und kennen ihre Wünsche genausowenig wie sie die unseren. Normalerweise gelten die Bären als zuverlässig, aber wenn dieser Bär ausgestoßen wurde, kann man ihm womöglich weniger trauen. Ihr müßt selbst entscheiden.«
    »Das werden wir auch«, sagte John Faa fest. »Würden Sie uns jetzt erklären, wie man von hier nach Bolvangar kommt, Sir?«
    Der Gänsedämon begann den Weg zu beschreiben. Er sprach von Tälern und Hügeln, von der Baumgrenze und der Tundra und von Sternbildern als Orientierung. Lyra hörte eine Weile zu, dann legte sie sich in ihrem Liegestuhl zurück, Pantalaimon um den Hals, und gab sich der Vision hin, von der der Gänsedæmon gesprochen hatte. Eine Brücke zwischen zwei Welten… das war ja noch viel grandioser als alles, was sie jemals erhofft hatte! Nur ihr großartiger Vater konnte sich so etwas ausgedacht haben. Sobald sie die Kinder gerettet hatten, würde sie mit dem Bären nach Svalbard gehen und Lord Asriel das Alethiometer bringen; gemeinsam würden sie dann die Brücke bauen und als erste hinübergehen…
     
     
    Irgendwann in der Nacht mußte John Faa sie zu ihrer Koje gebracht haben, denn dort wachte sie auf. Die fahle Sonne hatte ihren höchsten Stand, knapp eine Handbreit über dem Horizont, bereits erreicht, vermutete Lyra, es mußte also beinahe Mittag sein. Bald, wenn sie noch weiter in den Norden kamen, würde überhaupt keine Sonne mehr scheinen.
    Rasch zog sie sich an und hastete an Deck, wo allerdings nicht viel los war. Sämtliche Vorräte waren ausgeladen, und die gemieteten Schlitten und Hundegespanne standen zur Abfahrt bereit. Es hätte losgehen können, trotzdem rührte sich nichts. Die meisten Gypter saßen in einem verrauchten Cafe am Wasser an langen Holztischen und aßen Pfefferkuchen und tranken starken, süßen Kaffee. Über ihren Köpfen zischten und knisterten altersschwache anbarische Lampen.
    »Wo ist Lord Faa«, fragte sie, als sie sich zu Tony Costa und seinen Freunden setzte. »Und Farder Coram? Holen sie die Rüstung für den Bären?«
    »Sie sprechen gerade mit dem Sysselmann, wie sie hier statt  Gouverneur sagen. Du hast den Bären gesehen, Lyra?« »Ja!« sagte sie stolz, und während sie ihn beschrieb, zog ein  Fremder einen Stuhl heran

Weitere Kostenlose Bücher