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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Das klingt jetzt einfach, aber Teufel noch mal, ich mußte das Gewicht des alten Burschen schätzen. Und dann mußte ich darauf hoffen, daß ich unter der Eisburg, die er sich gebaut hatte, Erdgas finden würde. Aber da ich aus der Luft die Art des Bodens erkennen konnte, war ich mir eigentlich ziemlich sicher. Immerhin, um zu landen, muß ich Gas aus dem Ballon ablassen, aufsteigen kann ich aber nur wieder, wenn ich neues nachfülle. Na ja, jedenfalls haben wir es geschafft, mit Rüstung und allem.«
    »Wissen Sie, daß die Tataren Löcher in die Köpfe von Menschen bohren, Mr. Scoresby?«
    »Ja, natürlich. Das machen sie seit Tausenden von Jahren. Im Tunguska-Feldzug haben wir fünf Tataren gefangengenommen, von denen drei ein Loch im Schädel hatten. Einer hatte sogar zwei.«
    »Sie bohren sich die Löcher gegenseitig in den Kopf?« »Allerdings. Zuerst schneiden sie einen Halbkreis in die Kopfhaut, damit sie einen Hautlappen hochklappen und den Knochen freilegen können. Dann schneiden sie ein kleines, kreisförmiges Stück Knochen aus dem Schädel, ganz vorsichtig, damit sie das Gehirn nicht beschädigen, und danach nähen sie die Kopfhaut wieder an.«
    »Ich dachte, sie tun das nur bei ihren Feinden!«
    »Teufel, nein! Das ist ein großes Privileg. Sie tun es, damit die Götter zu ihnen sprechen können.«
    »Haben Sie schon mal was von einem Forscher namens Stanislaus Grumman gehört?«
    »Grumman? Aber sicher. Ich traf einen aus seiner Mannschaft, als ich vor zwei Jahren über den Jenissei flog. Damals wollte er gerade zu den Tatarenstämmen da oben, um eine Weile bei ihnen zu leben. Ich glaube übrigens, er hatte auch ein solches Loch im Schädel, als Teil eines Initiationsritus. Aber der Mann, der mir davon erzählte, wußte nicht so genau Bescheid.« »Also… wenn er so was wie ein Ehrenbürger der Tataren war, hätten sie ihn doch bestimmt nicht getötet, oder?«
    »Wieso getötet? Ist er denn tot?«
    »Ja, ich habe seinen Kopf gesehen«, sagte Lyra stolz. »Mein Vater hat ihn gefunden. Ich habe ihn gesehen, als er ihn den Wissenschaftlern von Jordan College zeigte. Man hat ihn skalpiert und alles.«
    »Wer hat ihn skalpiert?«
    »Na ja, die Tataren. Das dachten jedenfalls die Wissenschaftler… Aber vielleicht stimmt es gar nicht.«
    »Vielleicht war es gar nicht der Kopf von Grumman«, sagte Lee Scoresby. »Vielleicht wollte dein Vater nur, daß die Wissenschaftler das glaubten.«
    »Könnte sein«, meinte Lyra nachdenklich. »Er wollte Geld von ihnen.«
    »Und gaben sie es ihm, als sie den Kopf sahen?«
    »Ja.«
    »Guter Trick. Die Leute erschrecken, wenn sie so was sehen, und sehen lieber nicht so genau hin.«
    »Vor allem Wissenschaftler«, sagte Lyra.
    »Hm, das weißt du besser als ich. Aber wenn es wirklich Grummans Kopf war, wette ich, daß es nicht die Tataren waren, die ihn skalpiert haben. Sie skalpieren ihre Feinde, nicht ihre Stammesangehörigen, und Grumman hatten sie ja in ihren Stamm aufgenommen.«
    Lyra dachte über all das nach, während sie weiterfuhren. Um sie herum gingen die unerklärlichsten Dinge vor: die grausamen Gobbler und ihre Angst vor dem Staub, die Stadt in der Aurora, ihr Vater in Svalbard, ihre Mutter… Welche Rolle spielte sie selbst dabei? Oder das Alethiometer oder die nordwärts fliegenden Hexen? Und der arme kleine Tony Makarios, der aufgezogene fliegende Spion und Iorek Byrnison mit seinem unheimlichen Geschick beim Fechten…
    Sie schlief ein. Und mit jeder Stunde kamen sie Bolvangar näher.

Die Lichter von Bolvangar
     
     
    Die Tatsache, daß die Gypter noch nichts von Mrs. Coulter gehört oder gesehen hatten, beunruhigte Farder Coram und John Faa mehr, als sie Lyra merken ließen; sie wußten nicht, daß auch Lyra sich Sorgen machte. Lyra fürchtete sich vor Mrs. Coulter und mußte oft an sie denken. Im Unterschied zu Lord Asriel, der jetzt ihr Vater war, konnte sie Mrs. Coulter nicht als Mutter akzeptieren. Schuld daran war Mrs. Coulters Dæmon, der goldene Affe, den Pantalaimon so heftig verabscheute und der, wie Lyra vermutete, ihr nachspioniert und das Alethiometer entdeckt hatte.
    Außerdem waren sie hinter ihr her; es wäre dumm, etwas anderes zu glauben — der fliegende Spion war Beweis genug. Doch als der Feind dann zuschlug, war es nicht Mrs. Coulter.
    Die Gypter hatten beschlossen, anzuhalten und die Hunde ausruhen zu lassen, ein paar Schlitten zu reparieren und ihre Waffen für den Angriff auf Bolvangar vorzubereiten. John Faa hoffte, daß Lee

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