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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihnen«, stammelte Tommy Brest und lehnte den Kopf gegen die Wand des Funkwagens. »O Gott … ich danke Ihnen. Hoffentlich finden sie Vera lebend …«
    *
    Oben am Berg gingen die Grabungen weiter.
    Was die Fernsehleute tun konnten, das taten sie. Sie entwickelten sogar neue Geräte: Aus den starken Stativbeinen der Kameras konstruierten sie Rammen, mit denen sie das Geröll lockerten. Die beiden Jeeps, mit denen sie bis hier herauf gekommen waren, wurden als Zugmaschinen vor Felssteine gebunden, um die man Ketten geschlungen hatte. Die Kette riß, die Räder des Jeeps drehten durch und wirbelten Steinbrocken hoch in die Luft … dann kochte das Kühlwasser und Heimann ließ alles anhalten. »Noch weiter so, und uns spritzen die Motoren um die Ohren«, stöhnte er.
    Nach der ersten Panik war jetzt Nüchternheit und eine merkwürdige Gelassenheit über alle gekommen.
    Das Schicksal Veras schien unabwendbar. Dieser Gedanke war zwar furchtbar, aber nahm alle Hast weg, alle Hetze, alles sinnlose Herumwühlen in den Schuttbergen. Nur Horst Helmke arbeitete weiter wie eine Maschine, grub und trug weg, scharrte und räumte, keuchte und stöhnte. Man ließ ihn gewähren … es war sinnlos, ihn davon zu überzeugen, daß er sich nie durch den Trümmerberg wühlen konnte.
    Die Abenddämmerung stieg schon aus dem Tal, als Horst Helmke einsah, daß der Kampf um Vera verloren war. Er warf sich auf den Boden, starrte in den streifigen Abendhimmel und weinte.
    Niemand näherte sich ihm, selbst der sonst so rohe Heimann stand abseits und war wortkarg. Der Regieassistent und drei Kameramänner setzten sich um ihn und sahen über die veränderte Landschaft.
    »Was mag Tommy jetzt machen?« fragte einer. Heimann hob kaum den Kopf.
    »Wird irgendwo mit gebrochenem Genick liegen, der Idiot! Mit einem so wilden Pferd losrasen! Ach, Leute, es ist alles beschissen!«
    »Gleich zwei Stars weg, das wird den Alten aber auf die Palme treiben«, sagte ein anderer leise.
    »Kann ich dafür? Habe ich die Erde wackeln lassen? Wenn ich Erdbeben inszenierte, ging's immer gut – das macht eben meine Trickerfahrung.« Heimann starrte in den Himmel. »Wir sollten zurück nach Limassol, vielleicht kommen wir mit den Jeeps durch – was haltet ihr davon? Oder wollt ihr hier übernachten? Ich richte mich ganz nach euch …«
    Die anderen schwiegen. So hatten sie Carlos Heimann noch nie gesehen. Er fragte, was er machen sollte. Sollte man weinen vor Entsetzen?
    »Wir bleiben!« sagte der Regieassistent. »HH kriegen keine zehn Pferde weg.«
    »Wir müssen verhindern, daß er sich zu Vera eingräbt.« Es sollte wieder ein Heimann-Witz sein, aber keiner lachte oder grinste auch nur. Jeder wußte, wie ernst in Wahrheit diese Worte waren. Wer Helmke auf dem Felsen liegen sah, nahe bei der Geröllhalde, die den Höhleneingang blockierte, der ahnte, daß die Tragödie noch nicht beendet war. Es war nur Pause. Vorhang über dem ersten Akt. Wie der zweite aussehen würde, das wagte keiner zu denken.
    Als der Himmel brannte, ein Abendrot, das unter normalen Umständen Heimann hätte sofort filmen lassen, um es irgendwann einmal zu gebrauchen – denn wo sieht man einen solchen Sonnenuntergang wieder –, summte es in der Luft, und eine riesige schwarze Libelle schwebte über die Felsengrate. Ein starker Scheinwerfer tastete die Plateaus ab, die schon im Finsteren lagen.
    Heimann sprang auf und rannte in die Mitte des Platzes.
    »Sie suchen uns!« schrie er und schwenkte beide Arme. »Horst … sie suchen uns! Tommy ist mit seinem Gaul durchgekommen! Er bringt Hilfe! Hilfe! Sie sehen uns … sie sehen uns … Hilfe!«
    Über das Gesicht Heimanns liefen Tränen. Er stürzte auf Helmke zu, der schwankend aufgestanden war. Sie fielen sich beide in die Arme und weinten laut vor Glück und Befreiung. Und das war ein anderes Wunder: Ein ganz neuer Heimann, ein weicher, heulender, zitternder, schluchzender Mensch, an dem nichts mehr hing von dem polternden, zynischen, schimpfenden Regisseur, der jede Aufnahme zu einem Wörterbuch von Schimpfworten werden ließ. Jetzt stand er mit Helmke Arm in Arm auf dem Plateau, während der große, sandfarben lackierte Militärhubschrauber vorsichtig landete.
    »Wenn sie lebt, bekommen wir sie wieder …«, stammelte Helmke. »Und ich spüre, daß sie lebt … Hier, hier drinnen in der Brust spüre ich es …«
    Sie rannten auf die Offiziere und Soldaten zu, die aus dem Hubschrauber sprangen, und hätten sie fast umarmt und

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