Der goldene Kuß
Blasebalg mit vielen Löchern.
»Man hat sie nach Limassol gebracht«, rief er. Withcock wälzte sich auf seinem Bett herum. »Ah, Sie, James! Was hat Karin denn abbekommen?«
»Nichts. Nur ein Nervenschock.«
»Und Sie?«
»Brustkorb gequetscht und drei Rippen gebrochen. Der ganze Spaß dauerte 240 Sekunden … sagen die Offiziere. In den Bergen muß es toll aussehen!«
»Hat wenigstens einer weitergedreht?« Withcock setzte sich auf sein Feldbett. Sein Schädel hämmerte innerlich wie ein Schmied auf einem Amboß.
»Nur Kamera I. Aber sie hat kaum was drauf, sagt Perkins. Er hatte Angst.«
»O Gott!« Withcock griff sich an den Kopf. »Mit diesen Aufnahmen könnte ich den Film frei finanzieren! Und der Kerl scheißt sich in die Hose vor Angst! Was ist das bloß für eine Generation? Wir früher haben noch was geleistet! Aber heute …«
Regisseur Drumont legte sich herum. Jetzt ging es los. Man kannte die langen Reden des Alten über die vergangene schöne Zeit. Aber draußen brannte die Sonne. 35 Grad im Schatten.
Seufzend ließ sich Withcock zurückfallen. Liegend überlegte er, was dieses sekundenschnelle Erdbeben ihn an Dollars gekostet haben könnte.
*
Im Hotel ›Akrotiri‹ traf Karin Jarut auf Tommy Brest, der erschöpft und verdreckt in der Hotelhalle saß und keine Kraft mehr hatte, auf sein Zimmer zu fahren und sich zu baden und umzuziehen. Ein Militärwagen hatte ihn mitgenommen und am Hotel abgesetzt. Karin stieß einen spitzen Schrei aus, als sie Tommy sah, warf theatralisch die Arme hoch und fiel ihm schluchzend um den Hals.
»Wie furchtbar!« schrie sie. »Wie furchtbar! Aber du lebst!« Dann schien ihr erst klarzuwerden, wo sie waren, und sie ließ Brest los. »Wieso bist du hier? Wo sind die anderen? Heimann? Diese … Hartung … Euer ganzes Team?«
»Oben im Troodos-Gebirge. Ich habe Hilfe geholt. Hoffentlich kommen sie nicht zu spät. Jetzt warte ich auf ein Gespräch mit Pelz … die Leitungen sind überlastet. Vera ist verschüttet.«
Karin schwieg lange. Sie ließ Brest Zeit, sich wieder zu fangen. Dann fragte sie: »Ist sie tot?«
»Wir wissen es nicht.«
»Wenn du Pelz an der Strippe hast, läßt du mich auch mal mit ihm sprechen?«
Brest sah sie schief an. »Leichenfleddern?«
»Du bist ein ordinärer Mensch, Tommy. Aber die Serie muß doch weitergehen. Und der Goldene Kuß auch. Man kann das doch alles nicht abblasen. Was hat der Sender da schon investiert.«
»Du bist ein kaltes Aas!« sagte Tommy Brest und erhob sich mühsam. »Ich bade mich jetzt, und dann miete ich mir einen Jeep und fahre zu den anderen zurück. Und mit Pelz sprichst du nicht. Nicht über meine Leitung. Sieh zu, daß du ihn selbst erwischst.«
»Es wird euch allen noch leid tun!« rief Karin hinter Tommy her, als er zum Lift schwankte. »Ihr seid eine ganz sture Bande!«
Eine Stunde später – es war etwa um die gleiche Zeit, als der Militärhubschrauber auf den Bergen bei Heimann landete – kam Brest frisch gewaschen wieder herunter und bekam nach langen Verhandlungen einen Jeep geliehen.
Plötzlich stand auch Karin Jarut neben dem Wagen, in langen Hosen und Stiefeln und einer Khakibluse. »Nimm mich mit!« sagte sie zu Tommy, der sie sprachlos anstarrte. »Ich habe es mir überlegt. Ich helfe mit.«
»Du?! Mit Lippenstift und Puder räumt man keine Felsen weg …«
»Aber wenn ihr Vera findet … es ist besser, wenn dann eine Frau dabei ist …«
»Oha! Die sanfte Tour! Die Jarut als Krankenpflegerin. Sag mal, hast du diese Rolle nicht schon mal in einem Fernsehstück gespielt?«
»Du bist gemein!« Karin sprang in den Jeep. »Los, fahr ab.«
Tommy Brest ließ den Motor an. »Du spielst wirklich auf allen Klavieren. Soll ich sagen, was du denkst? Wenn ich mithelfe, Vera auszubuddeln, werden Pelz und der Alte so gerührt sein, daß sie mich amnestieren und wieder aufnehmen in den Schoß des Senders. Stimmt's?«
Karin Jarut sah verstimmt geradeaus. »Ihr wißt gar nicht, wie ich an euch allen hänge«, sagte sie. »Ihr seid es gar nicht wert. Als mich Rathberg hinausschmiß, kam ich mir wie eine Waise vor. Aber das ahnt ihr ja nicht. Was kümmert euch der Mensch?«
Tommy Brest zog schnaufend die Luft durch die Nase und trat auf das Gaspedal. Der Jeep schoß vorwärts.
In den Bergen hatten sich zwei Gruppen gebildet: die Soldaten, die mit Bohrgeräten und Hämmern, mit Sprengladungen und Schaufeln den Höhleneingang freizulegen versuchten – und Carlos Heimann mit zwei Kameras, die
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