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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fror, nahe um ihre Höhle schrien irgendwelche Tiere. Sie hatte Angst.
    »Die Angst spielt sie vorzüglich«, sagte Heimann hinter der Kamera. Helmke saß neben ihm, mißmutig und unrasiert. Vera sprach mit ihm kein Wort. »Sag mal, warum hast du Affe so idiotisch reagiert? Als ob sich Vera nackt von Tommy …«
    »Halt den Mund!« sagte Helmke grob. »Ich brauche mehr Licht in die Höhle. Der Reflektor steht zu schräg. Kümmere dich lieber darum!«
    Bei dem Lager hatten sich auch einige Einheimische niedergelassen. Es waren Griechen aus Dörfern der Umgebung. Heimann hatte sie als Statisten engagiert. Sie mußten schreiend und mit langen, alten Flinten um sich schießend durch die Gegend laufen. Sie taten es gern. Die Fernsehleute aus Deutschland zahlten gut.
    An diesem Morgen sah Heimann verwundert, wie ein paar Männer mit den Ohren auf dem Felsboden lagen; sie schrien ab und zu ein paar Worte, die keiner verstand. Dann liefen sie, es sah fast wie Panik aus, davon.
    »Da soll sich einer auskennen«, sagte Heimann. »Erst sind sie wild auf das Geld, und dann flüchten sie, als seien wir Aussätzige …«
    Man drehte weiter, probte Einstellungen. Und dann geschah es plötzlich, sekundenschnell. Unter ihren Füßen grollte es. Es war, als ob die Erde zu schnarchen begann. Dann wackelten die Felsen, Felsstücke lösten sich und donnerten herab, im Berg vor ihnen entstand wie in Zeitlupe ein breiter Riß, aus dem ein neuer Wasserfall stürzte und die Materialkisten überspülte und wegriß. Die Bäume schwankten wie im Sturm, der Boden unter ihnen begann zu rollen.
    »Ein Erdbeben!« schrie Heimann. Unter ihm wogte der Boden. »Leckt mich doch … ein Erdbeben. Drehen, Jungs, drehen! Das kommt nie wieder … das muß auf den Film! Horst … mach nicht schlapp … laß laufen … Junge … das verkaufen wir in alle Welt! Das hat noch keiner gefilmt!«
    Nach genau vier Minuten war das Erdbeben vorüber – es war eigentlich mehr ein kleiner Erdstoß. Vier Minuten, die wie Ewigkeiten waren. Mit Taschentüchern vor dem Mund hockte das Fernsehteam auf dem Plateau. In den Augen brannte der Felsstaub. Helmke lag erschöpft über seiner Kamera. Heimann blutete aus einer Stirnwunde. Ein fliegender Stein hatte ihn getroffen.
    Im ganzen war kaum etwas passiert, aber als sich die Staubwolken langsam verzogen, sagte Tommy Brest auf einmal laut: »Mein Gott … Wo ist denn Vera? Wir haben Vera vergessen! Sie war noch in der Höhle!«
    Heimann und alle anderen fuhren herum. Dann senkte sich fürchterliches Grauen über sie.
    Es gab keine Höhle mehr. Über den Eingang war eine Steinlawine gerutscht. Der Berg sah fremd, wie neugeboren aus.
    »Vera …«, stammelte Helmke. »O Himmel … Vera!«
    Er stürzte von der Kamera weg und warf sich mit bloßen Händen in die Felstrümmer.
    *
    Zwei Stunden grub man, versuchte die Trümmer wegzuräumen, rollte Felsblöcke zur Seite und wühlte sich durch den Schuttberg. Das gesamte Fernsehteam verwandelte sich in Steinbrucharbeiter, selbst die beiden Skriptgirls, der Friseur und die Friseuse standen staubüberzogen in der Geröllhalde und schleuderten Steine und Erdbrocken vom Eingang der Höhle.
    »Seid mal still!« keuchte Carlos Heimann. Er lehnte sich an den Berg, über seinen bloßen Oberkörper rann der Schweiß in Bächen. Arme und Beine zitterten vor Erschöpfung. Horst Helmke stand neben ihm, mit leeren, starren Augen, überpudert von Steinstaub. Von seinen Handflächen tropfte Blut … er spürte die Risse nicht, er hatte überhaupt kein Gefühl mehr, er war eine durch das Gestein sich wühlende Maschine.
    »Seid doch still!« schrie Heimann. »Wir wollen klopfen. Vielleicht gibt sie Antwort.«
    Er nahm einen dicken Stein und hieb damit rhythmisch gegen einen mächtigen Felsklotz, der von der Höhe heruntergedonnert war und die Höhle anscheinend wie ein Deckel verschloß.
    Helmke legte das Ohr an den Felsen. Das Klopfen Heimanns drang deutlich ins Innere, pflanzte sich als Schallwelle fort.
    Dann Ruhe. Nur das Atmen der Menschen unterbrach die Stille.
    Kam Antwort? Klopfte Vera im Berg zurück? Lebte sie noch? Hatte die Höhle sie geschützt, oder war sie an dem Steinstaub erstickt? Wollte sie gerade ins Freie, als das Erdbeben begann, und wurde von den niederrollenden Felsstücken erschlagen? War sie tiefer in die Höhle geflüchtet? War etwa auch die Höhle eingestürzt? Man wußte gar nichts.
    Heimann und Helmke lauschten.
    Keine Antwort. Stille im Berg. Grabesstille.
    »Noch

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