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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alles, was geschah, filmten.
    »So traurig es ist, Jungs«, hatte er zu den staubigen Kameramännern gesagt, »aber wir haben auch einen Beruf! Und was wir hier filmen können, wird einmalig sein. Lebt Vera und wir kriegen ihre Befreiung aufs Bild, dann ist dieser Streifen eine Publicity, die noch kein Star gehabt hat. Die Welt wird Rotz und Spucke heulen.«
    Der Aufnahmeassistent war mit zwei großen Filmrollen schon unterwegs nach Limassol und Larnaka. Auf ihnen waren die Minuten des Erdbebens festgehalten; ein Film, aus dem Zufall entstanden. Mit der nächsten Maschine mußten die Rollen nach Deutschland geflogen werden.
    Über das Plateau gellten Hupentöne. Alles in Deckung! Wir sprengen! Horst Helmke verhandelte vor der Geröllhalde mit dem Pionieroffizier.
    »Und wenn die Explosion sie tötet?« schrie er. »Wenn sie noch lebt und Ihre Sprengladung zerreißt ihr die Lunge?«
    »Ohne Risiko keine Befreiung!« sagte der junge Offizier. »Wie wollen Sie sonst an die Höhle heran?«
    Noch einmal die Hupe. Volle Deckung. Die Soldaten rannten weg. Hinter einer Felsnase postierte Heimann die Kamera I. Langsam ging auch Helmke weg. Er sah sich ein paarmal um, als nehme er Abschied von Vera. Man merkte ihm an: Er hatte keine Hoffnung mehr.
    Dann krachte es. Felstrümmer flogen hoch in die Luft und klatschten herunter, die Geröllhalde kam in Bewegung und rutschte. Über dem Boden spritzte sie auseinander. Wie Granatsplitter surrten die Steine durch die Luft. Heimann warf sich hin, die Kamera lief, unter dem Hubschrauber wurden dicke Ketten montiert, um große Felsstücke wegzuziehen.
    »Gute Sprengung«, sagte der Pionieroffizier neben Heimann. »Ich glaube, wir kommen jetzt an die Höhle heran.«
    Als sich der Explosionsqualm und Steinstaub verzogen hatten, machte Helmke einen Luftsprung. Über der noch immer massigen Geröllhalde war ein dunkler Spalt erschienen, freigelegt durch den niedergerutschten Trümmerberg.
    Die obere Spitze des Höhleneinganges.
    »Stop!« schrie der junge Pionieroffizier, als er Helmke losrennen sah. »Stop! Es rutscht noch nach!«
    Aber Helmke hörte es nicht. Wer konnte ihn jetzt noch aufhalten? Die Höhle ist frei! Die Höhle! Vera … Vera …
    Wie ein Salamander kroch er die Trümmer hinauf, auf allen vieren, sich an das Geröll fast festsaugend. Steine und Erde rollten nach, nahmen ihn ein paar Meter mit, aber er griff wieder ins Feste und zog sich hoch.
    »Der Mann ist verrückt!« sagte der Offizier.
    »Der Mann ist verliebt!« Heimann lächelte schwach. »Das ist das gleiche …« Dann wandte er sich an die Kameraleute und winkte mit beiden Armen. »Alles aufnehmen, Jungs! So etwas fällt keinem Drehbuchautor ein! Das wird der dramatischste und wahrste Film des Jahres!«
    Horst Helmke hatte die Spitze des Geröllberges erreicht. Er richtete sich auf den Knien auf, schob mit beiden Händen Steine vor sich weg und zwängte den Kopf dann in den engen, dunklen Spalt.
    Kälte wehte ihm entgegen … aber es war Luft, reine Luft, in der man atmen konnte. Die Angst, Vera könnte erstickt sein, wich von ihm. Hatte sie das Erdbeben überlebt, so war die Höhle zwar ein riesiger Sarg gewesen, ein Sarg voller Sauerstoff.
    »Vera!« schrie er in die tiefe Dunkelheit hinein. »Vera! Veeeeraaa!«
    Keine Antwort. Er hielt den Atem an und lauschte. Dann lief ein Zittern über ihn. Er legte sich auf das Geröll, den Kopf noch in der Felsspalte. Er brach zusammen vor dem, was er jetzt hörte: Tief unten in der Höhle … ein Rauschen, ein immerwährendes Fließen.
    Der Berg hatte einen neuen Wasserfall geboren … und die Wasser stürzten im Innern der Höhle über die Felsen … aus einem Bruch irgendwo kommend und wegfließend durch einen neu entstandenen Abfluß im Innern des Berges. Es waren Wassermassen … das Rauschen war voll und dumpf.
    Horst Helmke lag auf dem Trümmerberg und schluchzte.
    Durch die Höhle strömte ein neuer Fluß.
    Aber wo war Vera?
    *
    Das Erdbeben hatte Vera zunächst nur als ein dumpfes Grollen empfunden. Als die Felsen, auf denen sie hockte, zu schwanken begannen, als es plötzlich dunkel um sie herum wurde, Staub und Erdwolken in die Höhle drangen und ihr den Atem nahmen – da ahnte sie noch immer nicht, was draußen geschehen war. Sie dachte an eine Steinlawine, die die Höhle verschüttet hatte, und das war schon schlimm genug. Als sich die Staubwolke verzogen hatte, schwankte sie zum Höhleneingang und drückte sinnlos gegen das Geröll, das nun die Höhle

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